WrestlingCorner-Interview mit Christian Bruns

Veröffentlicht am 12. September 2015 um 2:08 Uhr von WrestlingCorner in der Kategorie: Interviews, Medien-News.

WrestlingCorner.de führte ein Interview mit Power-Wrestling Chef-Redakteur Christian Bruns, der bis zum Frühjahr diesen Jahres noch für Eurosport die WWE und davor TNA Sendungen kommentierte.

 

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WrestlingCorner.de: Hallo Christian. Seit wann interessierst du dich für das Wrestling und welche Wrestler waren deine ersten Favoriten?

Christian Bruns: „Das ist schon ein wenig länger her. Im Frühjahr 1990 habe ich zum ersten Mal Wrestling entdeckt, damals auf Eurosport. WrestleMania VI war die erste Großveranstaltung, die ich gesehen habe. Bis heute bin ich natürlich ein Fan dieser Zeit geblieben.
Unter anderem war ich begeistert von Earthquake und seinem Manager Jimmy Hart. Oder auch Rhythm & Blues mit dem Honky Tonk Man und Greg „The Hammer“ Valentine. Oder Bobby „The Brain“ Heenan und der „Heenan Family“.
Aber ich fand nicht nur die Bösen gut. Ich habe mich trotz allem freuen können, als sich Hulk Hogan an Earthquake für seine gebrochenen Rippen beim SummerSlam 1990 rächen konnte. Das ist allerdings auch schon wieder 25 Jahre her.“

WrestlingCorner.de: Wie kam es dazu, dass du Wrestling-Kommentator bei Eurosport wurdest und dort unter anderem WWE-Sendungen wie „This Week“ und „Vintage Collection“ mit kommentieren konntest?

Christian Bruns: „Anfang 2005 habe ich erstmals für Eurosport kommentiert. Vorher hatte ich mich auch schon als Kommentator bei einigen deutschen Indy-Veranstaltungen versucht. Eurosport hat damals TNA Wrestling ins Programm genommen. Ich bin im Vorfeld mit dem Chef der deutschsprachigen Kommentatoren in Kontakt gekommen. Wir haben telefoniert, er hat mich nach Paris eingeladen, und dann habe ich einfach mal das erste Programm gemacht. Direkt live, und dann auch noch mit meinem geschätzten Kollegen Harry Weber.
Aus irgendeinem Grund hat man uns gleich weitermachen lassen. TNA lief dann, mit Unterbrechungen, von 2005 bis 2007 bei Eurosport. Im Frühjahr 2009 kam WWE ins Programm. Das haben wir dann eben auch gemacht. Und einige Zeit später kam auch Sebastian Hackl zu unserem Team dazu, den mittlerweile ja ein paar deutsche WWE-Fans kennen dürften.“

WrestlingCorner.de: Im Moment kommentierst du ja keine TV-Sendungen mehr. Kommt da noch etwas in der nahen Zukunft, oder willst du das gar nicht mehr machen?

Christian Bruns: „Das ist wohl richtig. Wir haben zuletzt im April ein WWE-Programm bei Eurosport im Programm gehabt. Momentan befindet sich der Sender im Umbruch. Discovery aus den USA hat Eurosport mittlerweile komplett übernommen. Ich denke, dort wird sich in den nächsten Monaten und Jahren noch vieles verändern, der Erwerb der Olympia-Rechte war ja zuletzt ein großes Thema in den Medien.
Ob es derzeit noch Wrestling/WWE-Pläne bei Eurosport gibt, weiß ich aktuell ehrlich gesagt gar nicht. Wahrscheinlich müsste da allerdings ein inhaltlicher Upgrade her. Gerade „This Week in WWE“ war im vergangenen Jahr in meinen Augen eher am europäischen Publikum vorbeiproduziert.
Ich selbst kann mir natürlich durchaus vorstellen, in Zukunft auch wieder Programme zu kommentieren, bestenfalls bei Eurosport. Oder andernorts, wenn die Umstände stimmen.“

WrestlingCorner.de: Für alle die dich noch nicht kennen…du bist ja auch noch für das Power-Wrestling Magazin tätig. Was sind dort deine Aufgaben?

Christian Bruns: „Bei Power-Wrestling bin ich der Chefredakteur. Also im Grunde genommen bin ich eigentlich für die komplette inhaltliche Zusammenstellung des Heftes zuständig, im Hintergrund habe ich einige organisatorische Aufgaben, ich betreue unsere Kanäle im Internet und so weiter. Im Grunde genommen mache ich zwar nicht alles, aber wahrscheinlich schon eine Menge.
Für das Magazin schreibe ich seit 1999. Zuvor habe ich auch schon an einigen anderen Projekten dieser Art mitgearbeitet, besonders dem „Wrestling Telegramm“. Das war in den Neunzigern der wichtigste Newsletter in der Szene, der damals einmal in der Woche per Post kam.
Höchstwahrscheinlich gibt es, wenn ich so recht darüber nachdenke, also in Deutschland niemand anderen, der über diese lange Zeitspanne in dem Umfang mehr über Wrestling berichtet hat als ich.“

WrestlingCorner.de: Welche US-Wrestling-Liga gefällt dir momentan am besten?

Christian Bruns: „Da kann es doch nur eine Antwort geben: Die Wrestling-TV-Show „Lucha Underground“ hat in diesem Jahr so viele innovative Ideen gebracht wie keine andere Liga mehr seit Menschengedenken. Deshalb steht Lucha Underground 2015 ganz oben auf meiner persönlichen Favoritenliste. In vielerlei Hinsicht hat mich das an die Zeit von vor 20 Jahren erinnert. Damals habe ich erstmals, über VHS-Kassetten, die ECW sehen können. Lucha Underground war natürlich so viel besser produziert als ECW damals. Aber so wie ECW seinerzeit neue Impulse im Wrestling gesetzt hat, ist das in diesem Jahr mit Lucha Underground gelungen. Falls nach einer Staffel von Lucha Underground nun Schluss sein sollte, bleibt zumindest zu hoffen, dass einige dieser neuen Impulse und Ideen vom Mainstream (WWE) aufgegriffen werden.“

WrestlingCorner.de: Schaust du nur die WWE, bzw. Lucha Underground oder interessierst du dich auch für die anderen Ligen, wie z.B. TNA oder aber auch Ring Of Honor?

Christian Bruns: „Ich versuche möglichst in allen Bereichen auf dem Laufenden zu bleiben. Wenn man in irgendeiner Funktion im Wrestling tätig ist und das nicht macht, hat man eigentlich schon verloren.
Mein Loblied auf Lucha Underground habe ich ja bereits gesungen. Dagegen steht 2015 sicherlich TNA Wrestling als negatives Beispiel. Das Produkt ist mittlerweile einfach nur noch traurig anzusehen. Inhaltlich zwar oftmals okay bist gut. Doch die Marke hat in den vergangenen zwei Jahren einen massiven Imageschaden genommen, der in meinen Augen jetzt nicht mehr zu reparieren ist. Und wenn vor 250 Leuten in Orlando ein „WWE-Light“-Produkt produziert wird, ist damit einfach nichts zu gewinnen.“

WrestlingCorner.de: Wer sind denn zur Zeit deine aktuellen Lieblings-Wrestler?

Christian Bruns: „Der beste Mann in der WWE, Stand heute, ist natürlich Seth Rollins. Aufgrund der zu langen Raw-Sendungen ist er in letzter Zeit vielleicht ein wenig zu häufig eingesetzt worden, aber dafür kann der arme Kerl ja nichts. Am Mikro ist Rollins sicher noch nicht perfekt. Aber als Wrestler Weltklasse und insgesamt auch als Entertainer über das vergangene Jahr fantastisch gereift.
Was die Damen angeht, finde ich „The Bo$$“ Sasha Banks mittlerweile absolut großartig, mit einer Menge Potential für die Zukunft.
Meine absolute Nummer eins in diesem Jahr bleibt allerdings unangefochten Shinsuke Nakamura von New Japan Pro-Wrestling. Seine Gesamtperformance vom 4. Januar 2015 im Tokyo Dome mit Kota Ibushi ist bis dato in diesem Jahr noch nicht getoppt worden, und zwar weltweit.
Wer einmal erleben möchte, wie ein Publikum auch 2015 noch emotional in ein Match verwoben sein kann, sollte mal das G1 Climax Finale zwischen Shinsuke Nakamura und Hiroshi Tanahashi aus dem August ansehen.
Ach … und The New Day (inkl. Xaviers Posaune) muss ich hier ebenfalls noch erwähnen.“

WrestlingCorner.de: Welchen Wrestling-Stil bevorzugst du? Technisches Wrestling, Highflying, Submission oder magst du lieber Powerhouses oder Brawler?

Christian Bruns: „Wenn ich wählen müsste, was ich mir über drei Stunden angucke, dann wahrscheinlich eher eine Veranstaltung mit technischen Wrestlern statt einer Show, die nur aus Muskelprotzen besteht, deren athletisches Talent beschränkt ist. Aber im Grunde genommen braucht es doch die perfekte Mischung. Das hat Wrestling seit jeher ausgemacht, unterschiedliche Typen, Stile, Charaktere. Deshalb müsste ich wohl antworten: von allem ein wenig. Quasi eine bunte Tüte.
Ich kann etwa mit solchen „Indy-Wrestling-Super-Shows“ nichts anfangen, wo die Wrestler vom ersten Match an versuchen, sich mit Moves gegenseitig zu übertrumpfen. Da schalte ich spätestens im dritten Match, wenn es den 30. Superkick und den 40. Moonsault gegeben hat, den Knopf ab. Da ist man weit davon entfernt, was Wrestling in meinen Augen sein soll, ein Zusammenspiel aller Beteiligten. Im besten Fall steigert sich eine Veranstaltung über den Abend, ohne das Publikum zu übersättigen. Ein gutes Beispiel aus jüngerer Vergangenheit ist sicherlich NXT Takeover: Brooklyn.“

WrestlingCorner.de: Was hältst du von Wrestling-News-Seiten in Deutschland? Findest du es eine gute Sache oder wird dir da zu viel gespoilert?

Christian Bruns: „Gegen Spoiler ist in meinen Augen nichts einzuwenden, solange diese eben auch ganz klar als solche markiert werden. Wer dann draufklickt, weiß ja, was er zu erwarten hat. Allerdings darf derjenige dann auch nicht hinterher schimpfen und sagen: „Früher war es besser, da gab es mehr Überraschungen.“
Die deutschen Wrestling-News-Seiten habe ich nur oberflächlich im Auge. Ich habe aber leider den Eindruck, dass das Niveau in den vergangenen Jahren drastisch gesunken ist. Vieles läuft über das „Stille Post“-Prinzip. „News“ und „Meinungen“ werden von englischen Seiten übernommen, die sich teilweise bereits was zusammenkonstruieren. In der nächsten Instanz kommt dann auf deutschen Seiten manches Mal dann wirklich noch hanebüchenerer Unsinn bei rum.
Bevor ich von ihm gecrusht werde, muss ich allerdings natürlich noch diese Sache hier loswerden: Wer einen guten Job macht und stets höchst bemüht ist, bleibt mein Freund Martin Mahony. Folgt seiner Gruppe deshalb mit gutem Gewissen.“

WrestlingCorner.de: Danke für deine Lorbeeren (lacht). Meinst du unser neuester deutscher Export Axel Tischer hat in der WWE eine Chance, bzw. wird er den Sprung irgendwann einmal ins Main Roster packen?

Christian Bruns: „Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Die WWE hat sich über die vergangenen Jahre bei Try-Outs in Deutschland eigentlich alle Top-Namen der deutschsprachigen Szene angesehen. Dass die Wahl auf Axel Tischer gefallen ist, wundert mich nicht. Zum einen ist er noch im richtigen Alter, denn die WWE nimmt ja aus verständlichen Gründen kaum bis gar keine Wrestler ins System auf, die die Ü30 erreicht haben. Also mal von Über-Talenten und gefeierten Indy-Helden wie Finn Bálor abgesehen.
Die WWE hätte in jedem Fall gern einen deutschen Wrestler, um den Markt hierzulande dadurch weiter pushen zu können. Das ist in jedem Fall ein Pluspunkt für Axel, der darüber hinaus natürlich auch eine Menge Talent mitbringt, gar keine Frage. Gleichzeitig ist der Konkurrenzkampf bei NXT riesig, das darf man nie aus den Augen verlieren. Es stehen zig Nachwuchs-Wrestler unter Vertrag. Viele von ihnen schaffen es noch nicht einmal in die NXT TV-Show. Hier hat man schnell auf Axel Tischer gesetzt, wenn auch vorerst nur in einer Jobber-Rolle. Daran ist aber auch nicht wirklich etwas auszusetzen. Wie weit die Reise geht, muss man mal abwarten. Mit dem Stigma des „Ausländers“ hat ja selbst Cesaro im Hauptkader zu kämpfen, obwohl er eigentlich fließend Englisch spricht und als Gesamtpaket ganz fantastisch ist. Cesaro kann eigentlich nur ein Vorbild für Axel sein. Persönlich hoffe ich in jedem Fall, dass Axel sich weiterhin gut entwickelt und wir ihn in Zukunft häufig im WWE-Umfeld sehen können, sich überhaupt bei NXT zu etablieren, wäre in jedem Fall schon einmal großartig.“

Dieses Interview führte Martin Mahony für WrestlingCorner.de & die Gruppe „WWE & ProWrestling Inside“. Vielen Dank dafür!

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