Deutschlands Literaturpapst ist tot

  • Marcel Reich-Ranicki im Alter von 93 Jahren gestorben


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    Man nannte ihn den Literaturpapst: Marcel Reich-Ranicki ist im Alter von 93 Jahren gestorben. Als Kritiker prägte er über Jahrzehnte das bundesdeutsche Verständnis von Literatur. Die Sendung "Das Literarische Quartett" machte ihn zum Fernsehstar, seine Memoiren "Mein Leben", in denen er seine Verfolgung durch die Nazis verarbeitete, waren ein Bestseller.


    Hamburg/Frankfurt am Main - Er prägte nicht nur den Literaturbetrieb, er prägte das Land: Als wortmächtiger Kritiker bestimmte Marcel Reich-Ranicki das bundesdeutsche Verständnis davon, was gute Literatur ausmacht, als Holocaust-Überlebender prägte er auch die Auseinandersetzung mit den Verbrechen des Nationalsozialismus. Sein Erinnerungsbuch "Mein Leben" war ein Bestseller, mit dem "Literarischen Quartett" wurde Reich-Ranicki zum Fernsehstar, zu einer populären Figur auch bei denjenigen, die sich für die von ihm mit markantem R intonierte "Literatur" nicht begeistern konnten.


    Jetzt ist Marcel Reich-Ranicki im Alter von 93 Jahren in Frankfurt am Main gestorben. Das teilte die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" mit.


    Geboren wurde Reich-Ranicki am 2. Juni 1920 in Wloclawek an der Weichsel als Sohn eines polnisch-deutschen Ehepaars jüdischer Konfession. 1929 übersiedelte die Familie nach Berlin.


    Dort legte Marcel Reich-Ranicki 1938 das Abitur ab, wurde aber anschließend wegen seiner, wie es im Nazi-Deutschland hieß, jüdischen Abstammung nicht zum Studium zugelassen. Im Oktober des Jahres musste er Deutschland verlassen. Ab 1940 lebte er zwangsweise im Warschauer Ghetto, in dessen Verwaltung er als Übersetzer tätig war. Zugleich war er Mitarbeiter des Ghetto-Untergrundarchivs und nahm Anfang 1943 an einer Widerstandsaktion der Jüdischen Kampforganisation teil. Im Februar 1943, kurz vor der Auflösung des Ghettos, gelang ihm mit seiner Frau Teofila, die er im Juli 1942 geheiratet hatte, die Flucht. Beide überlebten den Holocaust im Untergrund. Seine Eltern und sein Bruder wurden ermordet, sein Schwiegervater nahm sich im Januar 1940 das Leben, und auch die Schwiegermutter überlebte den Holocaust nicht.


    Nach der Befreiung durch die sowjetische Armee im September 1944 meldete sich Reich-Ranicki freiwillig zum Dienst in der polnischen Armee und trat 1946 der Kommunistischen Partei Polens bei. Er wurde der militärischen Postzensur zugeteilt, gehörte 1946 der Polnischen Militärmission in Berlin an und arbeitete 1947 im Geheimdienst (Auslandsnachrichtendienst) und im polnischen Außenministerium.


    1948/1949 war er als Konsul im polnischen Generalkonsulat in London tätig. Dort nahm er das Pseudonym "Marceli Ranicki" an, da "Reich" zu deutsch klang. Im Herbst 1949 bat er aus politischen Gründen um seine Abberufung.


    1958 siedelte Reich-Ranicki in die Bundesrepublik Deutschland über. Er fand Unterstützung durch seine Schriftstellerkollegen Heinrich Böll und Siegfried Lenz. Innerhalb von kurzer Zeit wurde er zu einer festen Größe im literarischen Leben der Bundesrepublik, in dessen Zentrum die Gruppe 47 stand. Nach der Übersiedlung von Frankfurt am Main nach Hamburg arbeitete er von 1960 bis 1973 ständig für die Wochenzeitung "Die Zeit".


    1973 ging er zur "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", wo er bis zu seinem Ruhestand 1988 die Redaktion für Literatur und literarisches Leben leitete.


    Seine Popularität konnte Reich-Ranicki durch die Leitung der ZDF-Büchersendung "Das Literarische Quartett" (1988-2001), die sich durch eine lebhafte und kontroverse Diskussionskultur auszeichnete, noch steigern. Nach einer Auseinandersetzung um Haruki Murakamis "Gefährliche Geliebte", die er sich mit seiner Kritikerkollegin Sigrid Löffler lieferte, wurde die Reihe zunächst mit Iris Radisch fortgesetzt und dann zum Jahresende 2001, nach 77 Sendungen mit 400 diskutierten Büchern, abgesetzt. Allerdings gab es bis Sommer 2006 weiterhin einzelne Sondersendungen.


    Großen Erfolg hatte Reich-Ranicki mit seinen Memoiren unter dem Titel "Mein Leben" (1999). Monatelang stand das über 1,2 Millionen Mal verkaufte Buch an der Spitze der Bestsellerlisten - die bewegende Geschichte eines Mannes, der zum Außenseiter gemacht, verfolgt und mit dem Tode bedroht worden war, schließlich aber eine der populärsten Persönlichkeiten des Landes wurde.


    (Quelle: Spiegel.de)

  • Sehr sehr traurig, da geht ein ganz ganz großer Mann der deutschen Literatur und Unterhaltung.
    Wirklich schade, habe ihm immer gern zugehört und wollte auch immer mal sein Buch lesen. Werde ich mir wohl demnächst dann doch endlich mal kaufen.



    Seine legendäre Wutrede:


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    Ich kann nicht einmal die Steine zähln.
    Doch geh' den Weg den ich gehen wollte,
    Hier und jetzt, denn ich lebe heute.
    Alles färbt sich bunt
    Nie mehr grau und blass wie 'ne Regenwolke.