Das Main Event der jüngsten Ausgabe der Survivor Series zwischen Bill Goldberg und Brock Lesnar schlägt hohe Wellen. Ist es legitim, dass der mit Abstand dominanteste Superstar des Rosters von einem Wrestling-Rentner innerhalb von 90 Sekunden kompromisslos zerlegt und gepinnt wird? Ich bin durchaus ein Fan kontroverser Finishes, diese Random Thoughts sollen allerdings nur indirekt auf dieses überraschende Ende eingehen. Viel mehr kann ich bei dem Gedanken daran, wie die WWE Lesnar vs. Goldberg nun aller Voraussicht weiter fortführen möchte (nämlich alleine unter sich), nur mit dem Kopf schütteln – wie so oft in der Vergangenheit, wenn es um den Aufbau „neuer Talente“ ging und geht.
Sind wir mal ehrlich: Die letzte wirklich große Generation an neuen Superstars liegt jetzt in etwa eine gesamte Dekade zurück. Quasi im Jahrestakt wurden zwischen 2002 und 2006 künftige WWE-Legenden aufgebaut, darunter John Cena, Edge, Randy Orton, Brock Lesnar, Batista, Eddie Guerrero, Kurt Angle, Big Show, John „Bradshaw“ Layfield usw. Die Liste erscheint schier endlos zu sein – und kam sicherlich nicht zustande, weil die WCW aufgekauft wurde. Es weiten Teilen handelt es sich um WWE-Eigengewächse. Was haben wir jetzt innerhalb der letzten vier Jahre auf der Habenseite? Oder anders formuliert: Welchen Superstar, der zwischen 2008 und 2012 Pay-Per-Views headlinen und World Title halten durfte, können wir auf einer Stufe mit den von mir genannten Superstars der „Ruthless Aggression Era“ stellen? Da fällt mir ehrlich gesagt nur CM Punk ein – der sich seinen besonderen Status allerdings durch etliche Widrigkeiten hart erarbeiten musste. Und blickt man so auf die aktuelle Generation an Main Eventern, darf ebenfalls bezweifelt werden, ob da irgendeine künftige Legende des Sports Entertainment dabei ist.
Warum? Die WWE schneidet seit Jahren konsequent das restliche Roster von den absoluten Superstars und Part Timern ab. Klammern wir John Cena einmal aus, wirken für verdiente Top Superstars wie Seth Rollins oder Kevin Owens Leute wie Bill Goldberg oder Brock Lesnar absolut unerreichbar. Man sieht sie nie zusammen im Ring, Backstage, in Einspielern – ja sie werden ja sogar nicht einmal von den Kommentatoren gemeinsam in einem Satz genannt. Ich erkenne nicht den Sinn hinter diesem Verfahren der WWE, denn überspitzt formuliert ist die Schere zwischen „Part Timern“ und dem Rest über die Zeit akut auseinandergegangen – und eine Besserung ist nicht in Sicht.
Die WWE kann verdientermaßen auf seine glorreiche Vergangenheit zurückblicken. Für meinen Geschmack aber wagen die Mannen auf Stamford zu viele Blicke zurück und lassen dabei die Gegenwart mehr oder weniger außer Acht. Ein Bray Wyatt wird so gebookt als wäre er bereits eine verdiente Legende des Sports – dabei ist er nicht mehr ernst zu nehmen. Bei den regelmäßigen Hell in a Cell PPVs sehen wir von Jahr zu Jahr die gleichen Highlight-Clips der Matches zwischen Undertaker vs. Mankind, Undertaker vs. Brock Lesnar, Undertaker vs. Shawn Michaels und so weiter, und sofort. Superstars wie Seth Rollins oder Kevin Owens können oder dürfen diesen einen finalen Schritt zum absoluten Top-Dog der Liga nicht gehen – warum auch immer. Wieso geht die WWE nicht hin und stellt Kevin Owens gegen Brock Lesnar? Warum darf Seth Rollins nicht einem Goldberg klarmachen, dass es hier um seine Show handelt und er nicht einfach reinspazieren kann? Es muss ja nicht gleich ein Match zustande kommen – nur Lebenszeichen der PPV-Dauer-Headliner und World Champions dürfen einfach nicht fehlen.
Ginge die WWE selbstbewusster mit den eigenen Talenten um, hätten wir mit Sicherheit den ein oder anderen Superstar auf dem Niveau eines – zumindest – Edge oder Randy Orton. Ich vermisse so oft die Attitüde der WWE gegenüber den Zuschauern, die besagt: Seht her, DAS hier ist unsere aktuelle Main Event Besatzung. Kauft ihr einen PPV, dann bezahlt ihr für DIESE Typen im Top Spot, denn es sind unsere besten. Und wenn ein Superstar von damals zurückkehrt, muss er sich erst einmal mit diesen Mannen konfrontiert fühlen, denn sie sind eben das Kernstück der beiden wichtigsten Weeklies und die alten Herren mit Sicherheit nichts besseres. Aber man erkennt es nicht, zu keiner Zeit. Alle PPVs abseits vom Royal Rumble, WrestleMania, SummerSlam und der Survivor Series wirken mittlerweile wie mit B-Elf routiniert runtergespielt. Dabei sind Akteure wie Seth Rollins die eigentlichen Stars. Wie viele PPVs hat der Mann in Folge geworkt? In wie vielen stand er in den letzten zwei Jahren? Mehr als jeder andere. Das ist mir ehrlich gesagt mehr als einen lapidaren Nebensatz wert, den Michael Cole zwischen WWE Network Ankündigungen und Goldberg vs. Lesnar Hype-Ansagen runterrattert.
Kurzum: Die WWE lebt von Jahr zu Jahr akuter in der Vergangenheit, scheint alten Zeiten beinahe hinterher zu trauern. Dabei wird das Booking rund um neue Talente absolut vernachlässigt und Wrestler, die bereits mit hundert Metern Abstand wie der nächste Top-Superstar der WWE ausschauen (Roman Reigns!), kapital gegen die Wand gefahren. Dabei hätte die WWE speziell in diesem Falle nur die Landstraße geradeaus weiterfahren müssen, statt rechts auf die Autobahn zu fahren und letztendlich im Stau zu stehen. Entweder die WWE möchte irgendetwas erzwingen – oder man lässt es schleifen und schlafen. Ich hoffe inständig, dass die aktuelle Generation an hoffnungsvollen Talenten wie Owens, Rollins oder Reigns die Früchte einfahren dürfen, nachdem der vergangene Schlag an neuen Superstars (The Miz, Jack Swagger, Kofi Kingston, Dolph Ziggler etc.) ohne viel Mühe zu Grabe getragen wurde. Es würde das Produkt so viel besser machen und vor allem sich aufopfernde Superstars nicht mehr die Beiwerk aussehen lassen.
[i]Hinweis: Der Vollständigkeit halber möchte ich darauf hinweisen, dass dies meine persönliche und gewiss nicht allgemeingültige Meinung ist. Dieser Beitrag entstand original für EWBattleground.de.