Sat.1-Nachmittag bricht ein - Gerichtsshows vor dem Aus?
Als hätte Sat.1-Geschäftsführer Guido Bolten in den kommenden Wochen nicht schon genug zu tun: Er muss "ran" neu etablieren, den Flop von "Ihre Wahl" verdauen und Pocher sowie Kerner erfolgreich auf Sendung schicken. Jetzt kommt eine weitere unerwartete Baustelle dazu: Die Quoten am Nachmittag brechen ein.
Wenn es in den vergangenen Jahren eine sichere Bank im Programm von Sat.1 gab, dann war es das Nachmittagsprogramm. Ob "Zwei bei Kallwass" oder die beiden Gerichtsshows "Richterin Barbara Salesch" und "Richter Alexander Hold" - alle Formate holten Marktanteil die weit über dem Senderdurchschnitt performten und nicht selten sogar vor den Primetime-Formaten die meistgesehenen Sat.1-Sendungen waren. Der Erfolg schien unangreifbar, was RTL zur Verzweiflung brachte. Dort entschied man sich, in der Hoffnung einen neuen Trend setzen zu können, schon vor einiger Zeit zum frühen Ausstieg aus dem Genre der Gerichtsshows und fand dann allerdings lange Zeit kein Konzept gegen die Dominanz von Sat.1 am Nachmittag.
Auf dem Fundament der starken Nachmittagsquoten will Sat.1-Archtitekt Bolten in der kommenden Saison seinen Sender neu aufbauen und stabiliseren. Dieses Vorhaben hat in der ProSiebenSat.1 Media AG Priorität, wie auch Konzernchef Thomas Ebeling Ende Juli betonte. Man nimmt, mitten in der Werbekrise, viel Geld in die Hand dafür und hat namhafte Köpfe zum Sender geholt. Doch Geld und prominente Köpfe allein sorgen noch nicht für bessere Einschaltquoten. Nach den schlagzeilen-trächtigen Verpflichtungen von Oliver Pocher und Johannes B. Kerner gilt es jetzt im Herbst, daraus auch Programmerfolge zu machen. Eine große Herausforderung, die gerade nicht einfacher geworden ist. Es gibt eine neue Baustelle für Bolten.
In der vergangenen Woche hat Konkurrent RTL sein neues Nachmittagsprogramm gestartet - und damit Sat.1 überraschend starke Kopfschmerzen bereitet, denn von der ersten Sendung an, gelang es den Kölner die Marktführerschaft am Nachmittag zurück zu erobern. Die beiden Formate "Verdachtsfälle" und "Familien im Brennpunkt" sind auf ihren Timeslots um 15 und 16 Uhr eindeutige Marktführer, während die beiden Sat.1-Gerichtsshows auf Tiefststände fallen. Am Freitag erreichte "Richterin Barbara Salesch" nur noch 10,6 Prozent, "Richter Alexander Hold" nur 10,4 Prozent bei der jungen Zielgruppe. Etwas Trost spendet die Tatsache, dass man beim Gesamtpublikum weiterhin extrem stark unterwegs ist.
Was sagt Sat.1 zu dem unglaublichen Erfolg der Konkurrenz? Noch nicht viel. Auf DWDL.de-Anfrage wollte man bei Sat.1 nicht mehr sagen als dass es noch zu früh sei, um etwas zu sagen. Man könnte darin auch Ratlosigkeit sehen. Es wäre nur allzu verständlich. Denn auch wenn damit zu rechnen war, dass sich der RTL-Nachmittag nach so vielen Fehlversuchen irgendwann einmal wieder stabilisieren würde, so hatte niemand - selbst nicht RTL - einen solch fulminanten Start und den Wechsel der Marktführerschaft am Nachmittag von Tag 1 an erwartet. Für Sat.1 ist das der Super-GAU. Die sicherste Bank im Programm schwächelt bedenklich, lag - wie am Freitag - jetzt auch schon unter Senderdurchschnitt.
Die TV-Saison 2009/10 könnte nicht spannender beginnen und als wären nicht ohnehin schon alle Augen der Branche auf Sat.1, Pochers LateNight-Show und Kerners neuen Montags-Talk gerichtet, könnte im Laufe dieser Saison auch noch eine Operation am Herzen des Senders, dem über Jahre sicheren Nachmittag nötig werden. Immerhin hat der Sender am Nachmittag dank konstanter und verlässlicher Leistungswerte das meiste Geld verdient. Vielleicht hat Sat.1 ja Glück - und beim Speed Pitch Mitte September hat die ein oder andere Produktionsfirma schon eine Idee für den Nachmittag im Koffer. Auch wenn man jetzt vielleicht offiziell noch keine Handlungsbedarf sieht - anhören kann man sich die Ideen ja mal. Für den Fall der Fälle.
Quelle: dwdl.de