WrestlingCorner Kolumne: Kann das gut gehen?

Veröffentlicht am 29. Mai 2021 um 22:28 Uhr von Vincent Hummel in der Kategorie: Kolumnen.

Es ist Samstag, 01:15 Uhr. Eine Zeit, in der ich eigentlich schon schlafen sollte und wo ich doch noch einmal einen Blick auf die amerikanischen Nachrichtenseiten wagte. Ich gähnte und streckte mich, freute mich endlich auf mein Bett und überflog den größten Teil der Reportagen. Schön unterteilt in „WWE“ und „New Japan Pro Wrestling“ fand ich nun auf einmal beide Promotions in einer Überschrift. Es schrillten die Alarmglocken, mich haute es aus den Federn und ich war plötzlich hellwach und stand vermutlich da, wie wenn ich ein Alien auf meinem Sims herumtanzen gesehen hätte. Hier stand wirklich auf dem Handy, dass die WWE eine Partnerschaft mit NJPW wolle. Als erstes fiel mir nur dieser Satz ein: „Kann das gut gehen?“

Zunächst kann ich diese Frage mit einem strikten „!Nein!“ beantworten. Als Begründung erhebe ich die unterschiedliche Philosophie dieser Promotions und dem eigentlichen Verständnis vom Wrestling. Wenn man mit beiden Promotions etwas spielt, findet man auf der einen Seite viel „Entertainment“ und auf der anderen Seite viel „Kampf“. Das ist schon einmal ein wesentlicher Unterschied. Spielt man weiter, muss man sich vorstellen, was beide sich aus einer Partnerschaft erhoffen. Richtig, gegenseitige Talentförderung. Also Wrestler A der WWE fliegt zu NJPW und Wrestler B von NJPW fliegt zur WWE. Ein Austausch ohne Mühe und voller Logik. Vermischt man diese Teile (Entertainment, Kampf, Wrestler A, Wrestler B) miteinander, kommt man zu der Erkenntnis, dass Wrestler A nun viel mehr kämpfen und Wrestler B viel mehr reden muss. Der eine wird zum Krieger befördert, der andere zum Showmaster degradiert – beide Verben bitte auch in umgekehrter Form verwenden.

Da haben wir den Salat. Übrigens: Neuerdings macht man in der Neuzeit dieses Sprichwort durch ein Emoji vollständig. Also: Da haben wir den 🥗!
Und was für einen. Etwa gemischt mit dezent pikanter Soße, wenn man es so sehen will. Schmecken würde er vorzüglich, aber der ein oder andere wird beim Verzehr sicherlich eine Träne vergießen. Diese wunderbare Metapherfolge soll das Sinnbild dieser Zusammenarbeit schildern. Nicht jeder mag es pikant. Das müssen nicht nur die Esser (Fans) sein, sondern manchmal verträgt sich das Gemüse nicht mit so manchem Gepansche (Wrestler).

Es ist schon wirklich amüsant zu sehen, wie schnell Gerüchte entstehen können. Natürlich hat man mit der Personalie Nick Khan und dessen Kontaktaufnahme ein erstes Indiz zum Wahrheitsgehalt dieser Nachricht, aber dennoch sollte hier nicht zu hochgestapelt werden. Dazu gibt es auch keinen Grund. Diese Zusammenarbeit hätte den Sinn, eine etwaige Nebenshow, die uns im Podcast beschäftigte, zunächst zu verdrängen und seinen Talenten diese Tür zu öffnen. Doch man ist hier grundlegend falsch an die Sache gegangen. Nur, weil es NJPW ist, heißt das nicht gleich Einsatzgarantie für jeden Wrestler, der jetzt gen Osten fliegt. Das kann man vielleicht vertraglich festlegen, ist aber sicherlich auch nicht im Sinne der Auslotung aller Details.

Die WWE hat einige Talente, die NJPW sicher helfen würden, in einigen Passagen ein wenig frischen Wind zu bringen, um nicht immer die üblichen Verdächtigen zu sehen. Doch das Problem ist vielmehr, dass in Japan mit Stables gespielt wird. Man sieht es an Wrestlern wie Cody Rhodes, der damals bei WWE verschwand, in Japan Fuß fasste und in den BULLET CLUB integriert wurde. So etwas kann man sich bei einer Partnerschaft mit WWE nicht leisten. Der Wrestler würde quasi in der Luft schweben. Selbst wenn man ihn kurzfristig an ein Stable bindet, ist die Gefahr groß, dass WWE frühzeitig die Reißleine zieht und wieder auf Normalprogramm für sich umschaltet. Das würde im Umkehrschluss nur NJPW schaden.

Es gibt eine viel bessere Möglichkeit, solche Partnerschaften durchzuführen: Man macht keine Partnerschaft! So simpel ist es wirklich. Die WWE braucht als Marktführer keine Partnerschaft, sondern nur Sympathien mit anderen Ligen und etwas Offenheit. Das sind die zwei magischen Worte – Sympathie und Offenheit – die dazu benötigt werden, um auch in diese Richtung etwas zu bewegen. Die Sympathie wäre einfach zu erklären. Mit Offenheit ist eher eine rationale Schiene gemeint. So kann die WWE eventuell in ihren Verträgen die Bindungsklausel entfernen und den Wrestlern für ihren Weg, den sie im Moment bei ihnen nicht bestreiten können, woanders versuchen, ohne aus dem Vertrag zu fallen. Das einzige Risiko, das dabei besteht, ist, dass es sein kann, dass der Wrestler selbst die Ambitionen woanders sucht und nicht mehr zurückkehren will. Das wäre aber vertraglich kein Problem zu regeln.

Und es zeigt auf, dass es nicht mal eine Nebenshow und schon gleich keine Partnerschaft braucht, um etwas zu ändern. NJPW sollte sich weiterhin die Zusammenarbeit mit den Ligen wie AEW und Impact Wrestling halten. Hier funktioniert dieses Beispiel auch, weil beide Ligen diese zwei magischen Wörter – Sympathie und Offenheit – erfüllen. WWE hingegen kann nur erstmal vom hohen Ross steigen und leise an der Tür anklopfen. Und um die Metaphern zu vollenden würde es folgendermaßen aussehen: Ein Mann kann eine Zeitung abonnieren und sich glücklich schätzen, dass sie zu ihm nach Hause geliefert wird. Immer früh im Breifkasten und rechtzeitig alle Nachrichten zu lesen, die ihn interessieren. Aber da ist ja auch der Kiosk in der Nähe. Es sind ein paar Schritte, vielleicht maximal hundert, um sich dort die Tageszeitung plus einem Rabattcoupon abzuholen und eventuell mal Lotto zu spielen. Nummer 2 wäre die gesündere Alternative, aber eigentlich ist der Mann dafür bekannt, dass er nicht gerne läuft. Ach, und er hasst es, Zeitung zu lesen!

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