WrestlingCorner Kolumne: Champion-Garantie

Veröffentlicht am 20. November 2021 um 18:00 Uhr von Vincent Hummel in der Kategorie: Kolumnen.

Die WWE suspendiert, hört nicht auf und viele Wrestler sagen „tschau“. Unterschlupf finden die meisten in anderen Ligen. So viele sind mittlerweile zum Konkurrenten AEW (All Elite Wrestling) gepilgert. Die anderen Wrestler, in der Minderheit, fanden die Bestimmung bei ihren Wurzeln. Noch nicht lange her und doch sieht man den ein oder anderen ehemaligen WWE-Wrestler als Champion.

Ob es sowas wie eine Champion-Garantie gibt, vage ich zu bezweifeln. Damit falle ich zwar gleich mit der Tür ins Haus und lege den Schluss an den Anfang meines Hauptteils, was keinesfalls nachgemacht werden sollte. Es ist eine einfache Erklärung, die dahintersteckt: Bist du ein WWE Wrestler, bist du die Elite. Und diese Wortwahl war bewusst gewählt, denn es zeigt sich deutlich, was dahingehend unternommen wird. Stößt du nach jahrelanger Zeit beim Marktführer zu einer kleineren Liga, bist du der Star. Du bist der Held und die Fans freuen sich, dass endlich eine große Bekanntheit das Roster füllt. Die Beliebtheit ist, auch bei vergangenen Rollen als Bösewicht, extrem groß. Es bleibt also keine Möglichkeit, dass man es sich gleich versaut, es sei denn, dass wieder Derby-Zeit ist und man sich als Feindesbild im Sinne eines Fans der Gegenseite präsentiert.

Die Beliebtheit ist gleich das Stichwort für weitere Überlegungen. Viele bauen sich eine Beliebtheit über Jahre auf. Bestes Beispiel ist der ehemalige NXT UK Champion WALTER. Bei seinem früheren Arbeitgeber wXw (westside Xtreme wrestling) hatte der Ringgeneral seinen wahrhaftigen Fußabdruck hinterlassen. Durch seine langjährige Treue und seiner Verbundenheit zur Liga wurde er zum Star und ist seither das Aushängeschild des Unternehmes – bis heute. Doch im Moment erfreut sich die Liga an einem anderen Wrestler: Axel Tischer. Der erste deutsche Wrestler seit Langem, der es zum Marktführer schaffte. Doch auch er wurde ausgebootet und suchte nach einer weiteren Anstellung. Die wXw ist sowas wie sein Zuhause und ebenfalls ist er, wie WALTER, einer der Stars gewesen. Prompt konnt er Unified World Wrestling Champion werden. Das Titelmatch hat er sich in kurzer Zeit verdient und die Chance gleich genutzt.

Woanders folgt dieses Schema einen ähnlichen Verlauf. Bei AEW durfte Chris Jericho als damals größter Abkauf vom Marktführer als erster Weltmeister werden und sicherte sich gleich den Main Event. Jericho war zwar nicht in seinem Zuhause oder zurück bei seinen Wurzeln, aber alle kannten ihn und feierten seine Zugehörigkeit zur Company. Daher kommt dieser Schritt einem ähnlichen Muster gleich wie bei Axel Tischer. Und noch dazu hat sich Jericho auch mittlerweile durch seine Fehden mit MJF und seinem Team fest in das Unternehmen integriert und ist damit ein fester Bestandteil des Rosters. Eine Rückkehr zur WWE scheint aussichtslos.

Um etwas abzuschweifen sollte auch die Ökonomie betrachtet werden. Wenn man es sehr mit Vorsicht ausdrückt, scheint die WWE ein Monopol zu sein. Natürlich ist sie das nicht, aber im Sinne der Fans, wird sie so dargestellt. Denn: Nicht jeder WWE-Fan ist auch Fan von der Independent-Szene. Folglich bezeichnen sich diese dennoch als Wrestling-Fans. Also als Aficionado des Sports. Obwohl man nun widersprechen muss, wenn WWE nicht als das Monopol gelte. Nehmen wir diese Beschreibung dennoch, dann ist es ihr oberstes Ziel, jedes neu gegründete auf der gleichen Basis geschaffene Unternehmen einzustampfen und vom Markt zu drängen. Ein viel besseres Beispiel wäre hierfür Lego. Die Entwickler der Klemmbausteine sind sehr speziell, wenn es um ihren Namen geht. Denn ihr Name soll nicht als Gattungsbegriff verwendet werden. Man ging sogar so weit, dass juristische Schritte eingeleitet wurden. Somit müssen Kleinfirmen wie BlueBrixx, Cobi etc. keine Legos verkaufen, sondern Klemmbausteine. Aber das hätten sie sowieso. Warum einen Name von der großen Konkurrenz verwenden? Und selbstverständlich wird Lego alles unternehmen, um diese Unternehmen vom Markt zu schubsen. Ähnlich wie WWE versucht, keine anderen Ligen mehr groß werden zu lassen. Bevor das passiert, wird es aufgekauft. Und damit hat man ein indirektes Monopol in dieser Sparte und sieht den großen Unterschied.

Warum das alles wichtig war, erklärt sich anhand der Champion-Garantie. Wird ein ehemaliger WWE-Wrestler Teil einer kleineren Liga, dann ist der Wrestler vom scheinbaren monopolartigen Unternehmen der gefeierte Star. Was soll nun entgegengebracht werden? Natürlich nichts. Wenn ein Star da ist, dann wird sofort psychologisch Stärke und Dominanz zu dessen Charakter und Persönlichkeit erkannt. Und somit steht die Favoritenrolle immer im Gesicht des großen früheren WWE-Wrestlers geschrieben. Es ensteht dabei eine Ähnlichkeit zum Fußball oder anderen Sportarten zu geben. (Nettes Beispiel: Boris Becker bei einem Amateurverein).

Aber ich hatte zu Beginn erwähnt, dass ich es bezweifle, dass es sowas wie eine Champion-Garantie gibt. Es ist nämlich unwahrscheinlich, dass sofort für eine Verpflichtung auch ein garantierter Weltmeistergürtel als Belohnung auf dem Papier steht. Selbst eine Bedingung der anderen Vertragsseite halte ich für Unfug. Viel mehr ist es eine unaufhaltbare Sache. Eben durch die große Beliebtheit (das warum haben wir mittlerweile erörtert) bleibt keine andere Möglichkeit. Und durch das Prestige entsteht auch ein kleiner Zwang, was aber nicht heißt, dass es eine Garantie ist. Es bedarf einer Formalitätenklärung, bis es zum Vertragsschluss kommt. Das Gehalt wird sicherlich eine Rolle spielen und als diese Persönlichkeit wird es da auch möglich sein, eine höhere Stufe in der Klasse der Ausschüttung zu fordern.

Wird also die Entlassungswelle immer weitergehen, werden auch mehr und mehr Wrestler ihren Anschluss bei der Konkurrenz finden. Die Frage ist nur, ob es dann so wirklich möglich ist, alle Weltmeister werden zu lassen. Das Problem hat zwar nicht wXw, aber AEW schon lange…

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