WrestlingCorner Kolumne: Sie sahen richtig!
Mit dieser Überschrift beginne ich meine heutige Kolumne und muss damit auch einige Aussagen einer vergangem Kolumne revidieren. Es geht um den amtierenden Universal Champion Roman Reigns, der, anders als erwartet, nun zurecht im Main Event beim Marktführer steht.
In einer Sache bleibe ich mir treu: Sie hatten zu spät begonnen. Ja, es war zu spät…der Heel-Turn von Roman Reigns hätte schon viel früher stattfinden müssen, gerade weil er als Face keine Begeisterung entfachte. Doch WWE baute darauf auf, trickste bei der Audio, gab Reigns kurze Promos, die sich meistens mit den Worten „This is my yard now“ zeigten, mehr aber auch nicht. Und plötzlich änderte man alles. Reigns turnte Heel, bekam einen Vollbart und…Paul Heyman. Er zog seine Weste aus, Oberkörperfrei und bösen Blick schritt er fort und wurde der Tribal Chief – das Gimmick, welches Reigns so gut steht.
Man erinnert sich zurück an die Anfangszeit von Brock Lesnar. Ein unglaubliches Talent und nach seiner Rückkehr von seiner Verletzung von allen im Roster gefürchtet. Er fegte alles weg (inkl. The Undertaker – 21:1) und sprach dabei fast nie ein Wort. Naja, es änderte sich, als er oftmals „Suplex City B****“ im Ring schrie. Die Promoarbeit überließ man Heyman, der Manager. Er hypte die größten Matches für Lesnar für den „SummerSlam“ oder für „WrestleMania“. Und wenn man sich so Lesnars Stimme anhört, weiß man, warum die WWE früh feststellte, dass es für das Gimmick von Lesnar gut wäre, wenn jemand anderes spreche. Man erkannte früh die Problematik und setzte etwas entgegen. Damals war Lesnar auch Heel und jetzt lässt er sich als Face feiern. Der Gesinnungswechsel hat geklappt – die Fans honorieren das – und man kann Lesnar nun frei sprechen lassen.
Es klingt fast wie eine Therapie, die Lesnar durchlief, bis er sich jetzt ohne Heyman starke Promos und Sprechduelle liefern kann. Und genau so hätte man es damals mit Reigns machen sollen. Dass man Rollins zunächst als den Heel aufbaute, war eine richtige Entscheidung. Allerdings hätte es damals auch Reigns gut getan, wenn dieser den Stuhl gegen Dean Ambrose (fka. Jon Moxley) geschlagen hätte. Zwar hätte er nie die Unterstützung der damaligen „Autorität“ gebraucht, aber vielleicht einen starken Manager wie Triple H, weil Heyman zu diesem Zeitpunkt korrekterweise vergeben war.
Man entschied sich aber eher für den anderen Weg und versuchte krampfhaft etwas aufzubauen, was niemals funktionierte. Und diesen Fehler sieht WWE mittlerweile ein. Und genau das ist die gute Wende, aus diesem Grund fand der Heel-Turn statt. Und jetzt kann man Reigns ausbuhen, bis einem die Stimme wegbleibt. Und in dieser Rolle geht der Superstar förmlich auf. Es ist seine Bestimmung, der Bösewicht zu sein und sofort änderte sich alles an ihm: Attitüde, Ausdruck, Aktionen. Aus dem immer noch nach „Shield“ trauernden Reigns mit seiner Weste und fast identischem Theme, den vielen Versprechern innerhalb seiner Ansprache und den drei Aktionen des Samoan Drops, Superman Punches und Spears wurden der durchtrainierte mit epischen Theme und einem erweiterten Repertoire, wie man es sich wünschte.
Doch Kritiker, wie ich einer war, hätten ihm diese Entwicklung gar nicht zugetraut. Doch nachdem dieser positive Aspekt eintraf, muss ich meine Kritik revidieren und eindeutig mitteilen, dass die WWE recht hatte:
Bereits vor knapp einer Dekade sah man in Reigns den nächsten Superstar, der für eine ganze Weile der Repräsentant des Unternehmens werden sollte. Einer, der für viele Jahre das Aushängeschild werden sollte (kann man übrigens auch als Heel). Und genau das sahen die Verantwortlichen in Reigns. Zwar hatte man auch Wrestler wie Rollins, denen man es zugetraut hätte, doch dieser kam aus den Indie-Ligen. Und wie man jetzt durch die Präsenz der Konkurrenz der amerikanischen Wrestling-Liga AEW (All Elite Wrestling) weiß, können solche Superstars sehr schnell den anderen Weg gehen. Doch Reigns kam sofort zum Marktführer, zunächst bei FCW (Florida Championship Wrestling), später dann „NXT“ und dann im Main Roster. Keine Anstellung zuvor – kam aus dem Football. Und das ist der große Vorteil. Man wollte einen Star an der Spitze haben, der WWE-pur ist. Er ist der entwickelte Wrestler since Day One bei WWE. Die Versicherung sozusagen, welchen man langfristig binden kann und wo ein Abgang sehr unwahrscheinlich ist.
Der Erfahrung der WWE über Jahrzehnte ist es gelungen, das Vertrauen in Reigns 2014 zu setzen, weil sie schon die Zukunft sahen, die jetzt mit Reigns begann und weitergeführt wird. Sie behielten einfach recht und hatten sich deshalb folgerichtig nicht von ihrer Route abbringen lassen. Vielleicht war der zu späte Gesinnungswechsel ein Fehler, aber den hatte man wie gesagt eingesehen. Und jetzt respektiere ich jede Entscheidung, die man damals getroffen hat.
Jetzt braucht es keine Yard mehr, kein The Guy mehr…Reigns ist angekommen und längst als absolute Dominanz angesehen. Und wenn man so von Rookies dann hört, dass Reigns diese unterstützte und alle von ihm schwärmen, kann an dieser These nicht so viel falsch sein. Das trifft übrigens auch auf Lesnar zu.
Und bei „WrestleMania 38“ treffen die beiden Aushängeschilder von WWE wieder aufeinander. Gigantentreffen. Dieses Mal sind die Gesinnungen genau umgekehrt. Doch wenn es WWE gut macht, werden sie auch bald Reigns wieder als Face zeigen und dann gibt es bestimmt auch wieder Jubel – weil eine Entwicklung stattfand!