Musiker will Song mit 70.200 Samples bei der GEMA anmelden!

  • Musiker will Song mit 70.200 Samples bei der GEMA anmelden


    Die GEMA verlangt: Jedes Sample, das ein Komponist in seinen Stücken verwendet, muss einzeln bei der Verwertungsgesellschaft angemeldet werden. Auf Papier. Und schon der Anmeldebogen weist darauf hin: Selbst kleinste Klangfetzen können als fremdes geistiges Eigentum gelten, solange sie die nötige Schöpfungshöhe erreichen.


    Johannes Kreidler, Komponist von avantgardistischer "Neuer Musik", hat ein 33 Sekunden langes Stück verfasst. Die Besonderheit: Es umfasst 70.200 Zitate aus anderen Songs. Auf die Frage, wie es zu dieser Zahl kommt, antwortet Kreidler:


    "Durch Bescheidenheit. Ich habe stark untertrieben, theoretisch kann man am Computer pro Sekunde schon 44100 Zitate abspielen."


    Dabei will der Künstler die GEMA "gar nicht quälen" - Kreidler geht es darum, die heutigen Möglichkeiten zu visualisieren und wahrnehmbar zu machen. Er habe grundsätzlich nichts gegen die GEMA - aber sie müsse sich dem digitalen Zeitalter anpassen. Wichtig ist ihm aber auch die künstlerische Seite seines Projektes: Er will die Probleme einer Gesellschaft, die mit dem strengen Urheberrecht leben muss, "ästhetisieren" - und dagegen protestieren.


    "Product Placement" nennt der Künstler seine "musikalisch-theatrale" Kunstaktion: Am 12. September 08 will Johannes Kreidler um 11 Uhr morgens seine 70.200 Formulare bei der GEMA-Generaldirektion einreichen - eine ganze Lastwagenladung voll. Das kann die GEMA nicht alles verarbeiten?


    "Muss sie aber (theoretisch), denn so ein Stück ist technologisch machbar, und ich möchte mit der 'Materialisierung' der Urheberrechtsfrage im digitalen Zeitalter eigentlich eine Lösung erzwingen. Die haben dann ja ein handfestes Problem, diese Formularberge die sie abarbeiten müssen",


    sagt Kreidler, der als Komponist eines wenig bekannten Genres kaum Geld mit seiner Musik verdient. Um Selbstmarketing gehe es ihm aber nicht. Großes Vertrauen in den Erfolg seiner Aktion hat er trotzdem nicht:


    "Die anarchistischen Zeiten sind ja jetzt zu Ende, ich meine die Zeit des freiern Verkehrs im Internet. Die, die jetzt abgemahnt werden sind die Aids-Toten des Informationszeitalters. Ich war bislang im Glauben, dass die Technologie am längeren Hebel sitzt, aber jetzt fürchte ich doch ernstlich, dass die Software-Riesen, denen der Staat zuarbeitet, das Oberwasser gewinnen wird, und das geht jetzt aber nur mit ziemlicher Brutalität seitens des Staats."


    Das die GEMA tatsächlich auf Kreidlers Aktion reagieren oder auch nur die Formulare abarbeiten wird, erscheint allerdings unwahrscheinlich. "Irgendeinen Grund werden sie finden", formuliert sein Kollege Moritz Eggert in einer Diskussion - die GEMA sei "weit davon entfernt, Lösungen für diese Probleme zu erarbeiten." Stattdessen wird man dort wohl versuchen, Kreidler's Antragslawine zu entgehen. Was ja allein nicht allzu schlimm wäre - würde endlich eine den technischen Gegebenheiten angemessene Lösung wie die von Kreidler vorgeschlagene Kulturflatrate geschaffen.


    HIER der Link zur Projektseite wo man das 33 Sekunden lange Stück anhören kann.


    HIER ein Video zu dieser Aktion.



    Quelle: Gulli.com