Wrestling Boom in Deutschland

  • ich hab hier mal was zum Wrestling Boom in Deutschland, zwar schon ein bisschen älter aber was solls :D


    Die scharfe Show der Mucki-Männer


    Wenn die Stars von World Wrestling Entertainment aufeinander einprügeln, wird es laut in deutschen Sporthallen. Selbst Kinder verfolgen die brachiale Mischung aus Blut, Schweiß, Sport und Show - trotz Warnungen von Medienwächtern.



    Frankfurt am Main - Es dröhnt, es kracht, in der Frankfurter Festhalle entlädt sich ein gewaltiges Unwetter mit dem Namen "Big Daddy V". Immer wieder stürzt sich das 220-Kilo-Monster auf seinen nicht weniger mächtigen Gegner "Kane". Die Zwei-Meter-Schränke hämmern aufeinander ein, und auch das Publikum hat jegliche Zurückhaltung verloren. Pöbelnd springt die Meute auf die Stühle, grölt "Come on". Im Diskant brüllen sogar Schulkinder "You suck" - sie sind mit ihren Eltern in die Halle gekommen. Die paar englischen Wortfetzen beherrschen die Mini-Fans perfekt.


    Die schwitzenden Schwergewichte von "World Wrestling Entertainment" sind bereits zum dritten Mal in diesem Jahr in Deutschland. Denn Wrestling, diese eigentümliche Mischung aus Show und Sport, füllt inzwischen ganze Hallen.


    Der Sportsender DSF, der die wöchentliche Show "Smackdown" am Samstagabend zur besten Sendezeit um 22 Uhr ausgestrahlt, landete mit den skurrilen Catch-Shows einen Überraschungserfolg: "'Smackdown' erreicht regelmäßig rund 300.000 Zuschauer, in der Spitze schauen sogar über eine halbe Million Fans zu", sagt DSF-Sprecher Christian Henßel nicht ohne Stolz. Zuvor hatten sich Wrestlingfans spät in der Nacht bei Sparten-TV-Stationen wie TM3, Neun Live oder Tele 5 ihre wöchentliche Portion Prügel abgeholt.


    Nachdem die US-Vermarkter jahrelang einen großen Bogen um den deutschen Markt gemacht hatten, sind inzwischen massenweise Spielfiguren, DVDs und Sammelbildchen in deutschen Spielwarengeschäften zu finden. Muskelpakete wie Batista oder der Undertaker geben friedlich Kaufhaus-Autogrammstunden, Kinofilme mit Kampf-Kumpanen wie John Cena ("The Marine"), Steve Austin ("The Condemned") oder Kane ("See No Evil") sind auch in Deutschland erfolgreich. Deutschlandtourneen der amerikanischen Raufbolde, die sich in "Hardcore-Matches" auch gern mal mit Baseballschlägern oder Mülltonnen vermöbeln, sind nach mehrjähriger Pause in Deutschland wieder ausverkauft.



    Mann gegen Mann, Frau gegen Frau: "Leg' sie flach!"


    Die Belegschaft von "World Wrestling Entertainment", die aus dem irischen Belfast angereist ist und nach der Show in Richtung Zürich weiterfliegt, könnte als Besetzung einer Freakshow durchgehen - in Frankfurt mit von der Partie ist beispielsweise "Vampir" Kevin Thorn oder der "Undertaker", zu deutsch: Totengräber.


    Auch stattlich ausgelegte Frauen wie Michelle McCool oder Victoria tummeln sich im Ring, erwartungsgemäß zeigen deren Kampfmonturen mehr als sie verdecken. Mann gegen Mann, Frau gegen Frau, das sind Duelle, auf die die Masse gewartet hat: "Leg sie flach", tönt einer, "Die soll an den Herd gehen", grölt ein anderer - im seinem Bierbauch angepassten "WWE"-Shirt.


    Wolfgang Stach, Gründer des Szenemagazins "Power Wrestling", weiß um das negative Image der Schlag-und-Schwitz-Orgie: "Wrestling wird in Deutschland von vielen Personen, vielleicht sogar den meisten, als dumpfes Gekloppe irgendwelcher hirnloser Muskelprotze wahrgenommen", klagt Stach. Zu Stachs Leidweisen verweigert sich vor allem die Werbeindustrie hartnäckig dem Schwitzkastensport.



    Werbeindustrie will mit Wrestling nichts zu tun haben


    Die Käuferstruktur der Wrestlingsfans sei zwar "hochinteressant", dennoch wolle man nichts damit zu tun haben, habe ihm der deutsche Werbechef eines französischen Automobilkonzerns unlängst anvertraut. Dabei sieht Stach das Wrestling nicht vorrangig als Sport: "Es ist eine Mischung aus Sport und Unterhaltung und letztendlich nichts anderes als eine Soap Opera wie Dallas oder Denver Clan", erklärt er. Die Interaktion zwischen den Wrestlern folge einstudierten Szenarien, Eifersuchtsdramen und Intrigen inklusive. Die WWE gibt dies in den USA auch offen zu, sucht gar per Stellenanzeigen nach Drehbuchschreibern mit Hollywooderfahrung.´



    2. Teil: "Haltet die Fresse, ihr deutschen Schweine!



    In der Tat scheinen manche der Wrestling-Plots absurden B-Movies zu entstammen - als Protagonist ist sich selbst Vince McMahon, Dollar-Milliardär und Vorstandsvorsitzender des Wrestlingveranstalters "WWE", nicht zu schade. Der ließ sich mitsamt in einer Limousine in die Luft sprengen und eine Woche später seine eigene Trauerfeier inszenieren, um kurz darauf von den Toten aufzuerstehen.


    Dann ließ McMahon, der auf den Spitznamen "genetischer Presslufthammer" hört, wochenlang nach seinem unehelichen Sohn suchen. Dieser war - Überraschung! - natürlich unter der Wrestler-Belegschaft zu finden. Der kleinwüchsige Kämpfer "Hornswoggle" wurde als McMahons Spross identifiziert. Der Presslaufthammer verstieß die "Missgeburt" und belegte diese fortan mit den übelsten Beleidigungen. Ein echter Fan kann darüber lachen.




    "Haltet die Fresse, ihr deutsche Schweine"


    Auch in der Frankfurter Festhalle, wo sich die wüsten Raufbolde aus Amerika den Nikolaustag um die Ohren schlagen, ist die Stimmung mehr als gut. Dafür sorgen ganze Kerle wie "Finlay", ein fies dreinblickender Ire mit dem Charme eines Schlachtermessers.


    Um die ohnehin schon aggressionsgeschwängerte Luft noch etwas zu erhitzen, stößt der "Fighting Irishman" gern verbale Zärtlichkeiten wie "Haltet die Fresse, ihr deutsche Schweine" aus. Immer wieder guckt er grimmig ins Publikum, steigt auf die Absperrung, deutet auf einzelne Fans. Die Masse springt jauchzend auf die Provokation des Prügelknaben an – mit dem, was Otto Normalverbraucher so an englischen Schimpfwörtern parat hat. Begriffe wie "Asshole" sind zu hören – wenn die Wrestling-Welt zu Gast bei Freunden ist, gibt man sich multilingual. Warnungen an die Idole, etwa wenn ein Raufbold dem anderen einen Stuhl über den Kopf ziehen will, verhallen ungehört - das Drehbuch sieht vor, dass der Stuhl auf der Stirn zerschmettert wird, und so geschieht es.


    Die Fans sind offenbar willige Komplizen der Schmierenschau. "Unsere Zuschauer können den Faktor Show in den Sendungen sehr gut identifizieren", sagt DSF-Sprecher Henßel. Keine einzige negative Zuschauerreaktionen oder Rückmeldungen besorgter Eltern will das DSF bis heute erhalten haben. "Dennoch nehmen wir das Thema Jugendschutz sehr ernst", so Henßel.


    Der Kampf ist vorbei, die menschähnliche Kreatur kaltgestellt


    Aufgrund einer freiwilligen Selbstverpflichtung beginnt die Sendung "Smackdown" am Sonnabend erst um 22.00 Uhr. So lautet denn auch die Forderung der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM), nach deren Meinung die Wrestling-Sendungen "entwicklungsbeeinträchtigend auf Kinder oder Jugendliche unter 16 Jahren wirken können". Das Stuttgarter Ordnungsamt erklärte jüngst, die Prügel-Show stehe "in krassem Widerspruch zu sportlichen Wettkampfregeln".


    Allerdings gab es nach Angaben von DLM-Sprecherin Verena Weigand in der jüngeren Vergangenheit bei Wrestling-Sendungen keine Verdachtsfälle auf Verstöße gegen die Jugendschutzbestimmungen. Gemütlichen Familienausflügen zur martialischen Klopperei der Mucki-Männer steht also nichts im Wege.


    In Frankfurt kracht ein Kämpfer auf den Boden. Was nach einer generalstabsmäßigen Hinrichtung aussieht, nennt der Kenner schlicht "Back Body Drop". Nach einer wüsten Rauferei packt der Zwei-Meter-Mann "Kane" das gegnerische Monster "Big Daddy V" an der Gurgel, stemmt den 220-Kilo-Koloss in die Luft und rammt ihn in den Ringboden. Der Ringrichter zählt, die Menge raunt: "One, two, three". Der Kampf ist vorbei, die menschähnliche Kreatur "Big Daddy" kaltgestellt. Vorerst.


    Wenn die WWE im April durch Österreich und die Schweiz tourt, dürfte er wieder auferstehen.



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