Kritischer Bericht über UFC!

  • Ultimate Fighting Championship: Eine Geschäftsidee aus den USA erregt die Gemüter und vergisst den Jugendschutz


    Hinter Maschendraht im Grand Hotel: Und noch ein gezielter Faustschlag auf den Kopf und nochmal und nochmal - schwerste Schädeltreffer auf einen, der schon liegt. Das ist regelkonform und spiegelt den etwas anderen Sportsgeist. Beißen, Stiche in die Augen, Tritte in die Nieren: nicht erlaubt.


    Erst wenn der Käfigrichter meint, dass der Unterlegene bereits ohnmächtig und nicht mehr in der Lage ist, das Zeichen zur Aufgabe zu geben, während der Überlegene weiter zuschlägt, ist Schluss in der Garden Arena in Las Vegas oder anderswo.


    Aber auch Käfigrichter können irren. War bereits der fünfte Schlag auf den Kopf des Liegenden zu viel oder erst der zwölfte oder war es bereits der zweite? Können Ringrichter in den Schädel schauen? Oder etwa die vier Ringärzte, die jeden Kampf, den Ultimate Fighting Championship (UFC) veranstaltet, begleiten? Sie sind keine leibhaftigen Kernspintomografen, können nur dem Anschein nach entscheiden.


    Nun entfacht die kontinentaleuropäische UFC-Premiere am 13. Juni in der Kölner Lanxess-Arena einen handfesten Meinungsstreit: Ultimatives Kämpfen ist für die einen der "Zehnkampf des Kampfsports" oder "physikalisches Schach" (Boxen ist nur Mühle), eben formal eine Sportart, andere sehen darin nichts anderes als eine brutale Gladiatoren-Veranstaltung auf hohem kommerziellem Niveau.


    Die Promoter argumentieren, dass eine Kampfstil-Mixtur aus teilweise olympischen Sportarten nicht anstößig sein könne, während Kritiker ein blutiges Spektakel brandmarken, dessen Brutalität von einem bunten Strauß Feigenblatt-Regeln getarnt werde - um hoffähig zu werden.


    Die Auseinandersetzung darüber, ob der neueste US-Import eine Schwelle der Brutalität überschreitet, erhitzt in der Domstadt Gemüter und Stadtrat. Aus dem Antrag von Ratsmitglied Martin Müser (Kölner Bürger Bündnis): "Freefight-Veranstaltungen bedienen niederste Instinkte und suggerieren bei den Zuschauern gesellschaftliche Akzeptanz brutaler und verabscheuungswürdiger Verhaltensweisen."


    Und Bürgermeister Manfred Wolf (FDP) hatte festgestellt, dass der Kampf im Drahtkäfig kein Sport sei, "denn er nimmt den Tod oder zumindest schwere Verletzungen eines Menschen billigend in Kauf". Freefight sei "verlockend für Profisportler mit subirdischer Ethik". Der Antrag wurde einstimmig angenommen, was nichts weiter bedeutet.


    Das Management der Arena drohte daraufhin mit Unterlassungserklärungen, denn in der Tat waren die Politiker übers Ziel hinausgeschossen, weil 32 UFC-Regeln beschreiben, was alles nicht erlaubt ist - und das Töten des Gegners natürlich auch nicht. UFC-Regel Nummer 29 verbietet zum Beispiel, frei übersetzt, auch Feigheit.


    Dennoch bleibt da in der Mixtur zwischen Karate, Boxen, Wrestling, Judo, Kickboxen oder Jiu-Jitsu ein weites Feld für das, was alles mit Schlägen, Tritten und Würgegriffen - auch im Liegen - erlaubt ist. Ob das eine neue Dimension des Sports ist oder eher von öffentlich sanktionierter Brutalität, lädt förmlich ein zum Streit. Was darf von Amts wegen erlaubt sein, was nicht?


    Der erste Aufschlag der Käfigkämpfer in Deutschland erfolgt in einer Phase, in der die Öffentlichkeit nach Amokläufen in Schulen, Folter in Gefängnissen und brutalen Übergriffen in U-Bahn-Katakomben sensibilisiert ist für frei zugänglich Jugendgefährdendes - und offenbar auch die Politik.


    Sie hat kürzlich "Paintball" verboten, ein Spiel, in dem Mensch auf Mensch mit Farbklecksen schießt und so das Töten simuliert. Nüchtern betrachtet keine Großtat, aber es scheint jedenfalls keine glückliche Zeit zu sein, um den letzten Schrei aus Amerika nach Deutschland zu importieren.


    Dabei ist hierzulande eine Frage nicht eindeutig beantwortet: Sind Käfigkämpfe jugendgefährdend? Paragraf 7 des Jugendschutzgesetzes: "Geht von einer öffentlichen Veranstaltung (...) eine Gefährdung für das körperliche, geistige oder seelische Wohl von Kindern und Jugendlichen aus, so kann die zuständige Behörde anordnen, dass der Veranstalter (...) Kindern und Jugendlichen eine Anwesenheit nicht gestatten darf." Zuständig ist in Köln das Amt für öffentliche Ordnung.


    Die Strafverteidiger-Kanzlei Gatzweiler, Partner des Arena-Managements, zitiert aus dem Genehmigungsbescheid: "Keine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung" und "bei Beachtung des vorgelegten Regelwerks handelt es sich um eine sportähnliche Veranstaltung, die mit anderen kommerziellen Kampfsport-Veranstaltungen vergleichbar ist". Kein Wort zum Jugendschutz.


    Der ultimative Käfigkampf lässt sich seit März auch im Deutschen Sport Fernsehen (DSF) anschauen. Jedoch nur nachts. Das hat Gründe. DSF-Sprecher Sascha Jungbluth sagt: "Wir nehmen den Jugendschutz sehr ernst, unsere UFC-Übertragungen beginnen daher auch erst ab 23 Uhr." Er meint, dass er bisher noch keine Signale erhalten habe, "dass die UFC-Übertragungen überhaupt als jugendgefährdend eingeschätzt werden". Das sieht Verena Weigand, Leiterin der Kommission Jugendmedienschutz, etwas anders: "Ultimate fighting ist grundsätzlich jugendschutzrelevant."


    Und wer etwas durch Deutschland googelt, findet bald überall "Fight Clubs" - inspiriert vom gleichnamigen, nicht jugendfreien Brad-Pitt-Film mit der Botschaft, dass man sich erst nach einem blutigen Faustkampf in einem klaustrophobischen Keller frei und gut fühlt. Offenbar imitieren deutsche Kampfsportvereine im Schutz von Nacht und Gewerbegebiet längst den Film.


    Zugespitzt: Während die reglementierte UFC-Version des ursprünglichen Freefights im Fernsehen aus Jugendschutzgründen nur nachts gesendet wird, besteht die einzige Zugangsbeschränkung zum Kölner Käfigkampf in einer fehlenden Jugendermäßigung. 54 Euro pro Ticket für ganz weit weg und 285 Euro für einen Platz gleich hinter dem Maschendraht. 7 000 Tickets sind für die "sportähnliche Veranstaltung" bereits verkauft. Das letzte Wort scheint jedoch noch nicht gesprochen. In Köln will das Jugendamt noch einmal nachdenken.


    Köln liegt heute gar nicht so weit weg vom alten Griechenland: Schon damals wurde zwischen Olymp und Akropolis darüber gestritten, ob ein Kampf mit allen Mitteln zur Ermittlung des Stärksten nicht zu brutal sei. Denn die Grundidee der antiken Pankration ist ja trotz UFC-Regeln geblieben: Den Gegner mit Tritten und Schlägen kampf- oder per Würgegriff manövrierunfähig zu machen.


    Vor zehn Jahren hatten in Nordrhein-Westfalen Ilse Brusis, Sportministerin, und Fritz Behrens, Innenminister, schon einmal einen Anlauf zu einem Verbot des "Ultimate Fighting" unternommen, weil es bei den Zuschauern "eine Tendenz zur Herabsetzung der Hemmschwelle gegenüber roher Gewalt begünstigt".


    Die Diskussion flackerte damals auf, weil bei einem Kampf in Kiew der Ukrainer Jewgenij Solotarjow den Amerikaner Douglas Dedge mehr oder weniger totgeschlagen hatte; Dedge erlag seinen Hirnverletzungen. Allerdings war dies kein Kampf nach UFC-Regeln, sondern es regierte die Regellosigkeit des Hinterhofs.



    gelesen: wrestling-revolution.de
    Quelle: General Anzeiger Bonn