Die "Horrific Moments in Wrestling"-Kolumne beleuchtet in unregelmäßigen Abständen exklusiv auf WrestlingCorner.de die schlimmsten, peinlichsten & schrecklichsten Storylines, Angles und Matches, die die Fans je zu Gesicht bekommen haben. Dabei wird ligenübergreifend aus jeder Zeit ein Thema gepickt.
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Datum: 04. Januar 1999
In der ersten Ausgabe dieser neuen Kolumne beleuchte ich einen dieser Momente, die unumstritten zu den peinlichsten und grausamsten in der Geschichte des modernen Mainstream Wrestlings gehören. Die Rede ist von dem berüchtigten Fingerpoke of Doom. Dort draußen soll es immer noch Leute geben, die diesen Namen nur vom Hörensagen kennen, weswegen ich ihn nun hier etwas näher bringen will.
Doch bevor ich auf den 04. Januar des Jahres 1999 an sich genauer eingehe, benötigt man ein wenig Hintergrundwissen über die vermeintlichen Umstände. Wir befinden uns immer noch in den Monday Night Wars, wie eifrige Fans aber an der oben genannten Jahreszahl bereits wissen sollten, hat sich das Blatt von Woche zu Woche mehr zugunsten der damaligen WWF gewendet. Die nWo war längst nicht mehr der Kassenschlager, wegen fehlender Ideen wurde die Gruppierung allerdings immer wieder mit verschiedenen Mitgliedern und in verschiedenen Versionen wiederbelebt. Nicht nur in Sachen Storylines herrschte Stagnation, ebenfalls hat man es verschlafen neue Wrestler zu pushen, sodass wir immer wieder alternde Stars und Buddys von Hogan in der WCW sehen mussten.
Moment, eine Person hat sich doch klangheimlich zum absoluten Topstar der WCW entwickelt: Goldberg! Mit einer unvergleichbaren Siegesserie von 173 Siegen in Folge wurde er zum neuen Aushängeschild der Liga, Fans haben ihn angefeuert wie niemand anderen zu dieser Zeit. Goldberg hielt sich lange in der Midcard auf und besiegte deutlich schwächere Gegner, bis er irgendwann aber endlich den verdienten Run als WCW World Heavyweight Champion bekam. Explosionsartig hatten wir also ein Monster an der Spitze der Liga, unbezwingbar und immer hungrig nach mehr Erfolg.
Dann kam aber der 27. Dezember 1998. Bei Starrcade traf Kevin Nash auf Goldberg. Und bereits hier schneiden sich die Geister darüber, wer sich dieses selten dämliche Finish überhaupt ausgedacht hat. Fakt ist, dass Scott Hall, ehemaliger Tag Team Partner von Nash zu der Zeit, mit einem Elektroschocker Goldberg außer Gefecht gesetzt hat. Nash setzte den Pin an und hat gewonnen, die einmalige Serie war gebrochen. Den Erfolg, den Goldberg in den Medien hatte, wurde auf einmal durch dieses unwürdige Finish gänzlich zerstört.
Kevin Nash zeigte sich bei Nitro unzufrieden über dieses Ergebnis, also bot er – großherzig wie er ist – Goldberg ein Rematch an. Allerdings konnte er dieses nicht wahrnehmen, da er während der Show wegen „schwerem Stalking“ gegenüber Miss Elizabeth suspendiert wurde. Später dann wurde er gar entlassen, wodurch das angebotene Rematch ganz und gar nicht durchgeführt werden konnte.
Aber wie aus dem Nichts kehrte überraschend Hulk Hogan wieder, der erst vor einem Monat (!) zurückgetreten war. Nash und Hogan waren seit dem April 1998 bittere Feinde, da Ersterer das nWo Stable verlassen und mit der Wolfpac Variante eine eigene Version der Gruppierung ins Leben gerufen hat. Seltsamerweise aber hat Nash das eigentlich für Goldberg vorgesehen Titelmatch kurzerhand Hogan angeboten, welcher sein großes Kämpferherz natürlich nicht unterdrücken konnte und annahm – und das, obwohl er nur Straßenklamotten dabei hatte. Der Hogan ist eben ein Kämpfer, nur deshalb war er so erfolgreich, wie die Geschichte eindrucksvoll (nicht) belegt.
Wir schreiben also den 04. Januar 1999, es ist Zeit für WCW Monday Nitro. Hollywood Hulk Hogan kam mit Scott Steiner zum Ring, während Kevin Nash seinen Buddy Scott Hall im Gepäck hatte. Die Fans haben ein interessantes Titelmatch erwartet, stattdessen aber hat Hogan Nash leicht und locker mit dem Finger berührt. Kevin Nash fiel so extrem zu Boden, dass man hätte glauben können eine Patrone einer Schusswaffe hätte ihn getroffen. Hogan setzte zum Pinfall an und er hat das Gold ergattert. Allein aus dieser Situation heraus hätten WCW Fans der vergangenen Tage den Fernseher eingeschlagen, Kommentator Tony Schiavone brachte den zurecht aufgebrachten Fans vor den Fernsehgeräten aber zum Überfluss eine viel bessere Alternative nah. Auf Anweisung von Eric Bischoff hin verkündete er, dass die Fans erst gar nicht zur Konkurrenz WWF schalten sollten, denn Mankind konnte The Rock den Titel abnehmen.
Auf dem Papier mag die Theorie von Bischoff sehr genial geklungen haben. So hat er doch den Zuschauern alles vorweg genommen, es sollte keinen Grund mehr geben, auch nur eine Sekunde lang die WWF anzuschalten. Allerdings ging das kräftig in die Hose, sage und schreibe 600.000 Fans (!) schalteten zum aufgezeichneten (!) Programm der WWF. Sofort ging das Rating für Nitro den Bach herunter, sodass am Ende RAW einen Wert von 5.7 Punkten einfuhr, während die WCW auf 5.0 absackte. Heutzutage ein schwindelerregend hoher Wert, für damalige Verhältnisse aber äußerst wenig. Das Zitat von Schiavone:
„Fans, if you even think about changing the channel to our competition, do not. We understand that Mick Foley, who wrestled here one time as Cactus Jack, is going to win their world title. Ha! Ugh, that's gonna put some butts in the seats, heh.“
Es muss wohl nicht weiter erklärt werden, dass es für die Zuschauer daheim den Anschein gemacht hat, als wolle man den Fans diese peinliche Szene nicht antun und sie stattdessen auf die WWF verweisen. Es war wirklich peinlich, es mag vielleicht in diesem Text nicht so rüberkommen aber glaubt mir: Es war schrecklich. Zwei der faulsten Wrestler der WCW machten mit lächerlichen Angles den Titel unter sich aus, während in der WWF zwei der am härtesten arbeitenden Superstars eine wahre Schlacht abgeliefert haben.
Zu allem Überfluss kann ich auch noch eine Verbindung zu meinen Anfangsworten bezüglich der Stagnation der WCW ziehen: Nach dem Titelgewinn von Hogan feierten eben jener, Scott Hall, Kevin Nash & Scott Steiner zusammen im Ring eine weitere Reunion der nWo. Wie zu den besten Zeiten sprühten sie dann den ganzen Titel mit Buchstaben voll, diese Szenen hat sich dann aber wohl niemand mehr angesehen, da alle bei RAW zugeschaut haben. Lediglich als RAW zu Ende war und die WCW noch fünf Minuten lief schalteten die Zuschauer zurück.
Leider mussten sie weiterhin ordentlich Crap anschauen. Goldberg rannte in den Ring und attackierte die neu formierte nWo, Lex Luger kam direkt hinterher. Aber nur, um Goldberg dann anzuspringen und zu zeigen, dass auch er selbst Teil der neuen Gruppierung ist. Goldberg wurde mit dem weiter oben angesprochenen Elektroschocker attackiert, die nWo hat seinen Rücken vollgesprüht und es ist fast schon überflüssig zu sagen, dass dieser ganze Angle schnell wieder abgeblasen wurde.
Wer war also Schuld an diesem „Booking“? Goldberg behauptet, dass der Fingerpoke auf dem Mist von Kevin Nash und Hulk Hogan gewachsen ist und schaut man sich die Vergangenheit der beiden (und auch die Zukunft von Nash) in Sachen Backstagepolitik, Machtgehabe usw. an, dann erscheint dieser Grund als sehr plausibel. Nash hat die ganze Sache dementiert, da er laut eigener Aussage erst ab Februar 1999 Teil des Bookingteams war (und dort genauso schwach und egoistisch agiert hat). Und Hulk Hogan hat zu allem Überflüss auch noch in seiner Biografie verlauten lassen, dass Goldberg sowieso keinen positiven Schub auf die Ratings hatte und im Ring eine Katastrophe war. Diese Sätze aus der Hogan Biografie erinnern mich an Dieter Bohlen: Auch er kann nicht singen, kritisiert aber andere dafür, dass sie es auch nicht können.
Mit der kleinen Randinformation, dass seit diesem Angle in der WCW die Ratings nur noch nach unten gingen und der WCW World Heavyweight Titel in den nächsten sechs Monaten sieben Mal den Besitzer wechseln sollte, möchte ich dann aber auch das erste Kapitel meiner kleinen Kolumne schließen. Feedback ist gerne gesehen, genauso wie Wunschthemen, die ihr mir per PN zuschicken könnt.