Chris Jericho spricht über WWE, Chris Benoit, Vince McMahon uvm.!

  • Ohne Zweifel hat es Chris Jericho zu einem der wichtigsten Superstars der letzten beiden Jahrzehnte gebracht. Das unverwechselbare Micwork und herausragende Leistungen im Ring sind zu seinem Markenzeichen geworden. Genauso wie Shawn Michaels war und ist der ehemalige World Heavyweight-Champion in der Lage selbst aus dem schlechtesten Wrestler noch ein gutes Match herauszuholen. Zur Zeit gönnt er sich eine Auszeit vom Wrestling und war in den vergangenen Monaten mit seiner Rockband "Fozzy" auf Tour. In diesen Tagen erscheint in den USA der zweite Teil seiner Biografie mit dem vielversprechendem Titel:"Undisputed - How to become the World Champion in 1372 easy Steps". Momentan absolviert er einige Termine um sein neues Buch zu bewerben. Bei einer dieser Veranstaltungen ergab sich nachfolgendes Interview.


    Wann ist bei dir die Entscheidung gereift, WWE wieder zu verlassen?


    "Ich habe darüber eigentlich nicht großartig nachgedacht. Als ich 2007 wieder zurückgekommen bin, habe ich für drei Jahre unterschrieben. Zu dem Zeitpunkt war mir klar, dass ich bei Auslaufen des Vertrages fast 40 Jahre alt bin. Das habe ich mir ständig bewusst gemacht. Der Reiseplan bei WWE ist sehr stressig und sehr schwer zu bewältigen. Man hätte mir schon die Möglichkeit gegeben, weniger Auftritte zu absolvieren. Aber ich habe selber an mich den Anspruch: Ganz oder gar nicht. Ende September 2010 lief mein Vertrag aus und meine Band "Fozzy" stand schon in den Startlöchern. Innerhalb kurzer Zeit waren sehr viele Konzerte in verschiedenen Ländern geplant. Ich wollte mich hunderprozentig auf meine Musik konzentrieren. Heute weiss ich noch nicht, ob ich jemals wieder zu WWE zurückkehren werden. Ich rede oft mit Vince McMahon und er hält mir auch einen Platz frei. Aber momentan habe ich andere Dinge im Kopf. Trotzdem schaue ich mir regelmäßig die Shows an und ich stelle fest: Der Promotion geht es gut, auch ohne Chris Jericho. Niemand ist unersetzlich und ich denke, das jetzt der Punkt gekommen ist das die jungen und aufstrebenden Wrestler das Heft in die Hand nehmen."


    Du sagst, dass es momentan nicht klar ist, ob du wieder nach Stamford zurück gehst. Was glaubst du wie deine Fans damit umgehen werden?


    "Ich glaube schon das sie ein wenig enttäuscht sind. Aber ich bin nun mal nicht mit dem Wrestling verheiratet, sondern habe auch noch eine Menge anderer Interessen. "Fozzy" gibt es schon seit elf Jahren und wir haben in dieser Zeit fünf Alben produziert. Jetzt kommt mein zweites Buch raus und ich habe einige TV-Projekte am Start. Meine echten Fans werden das einsehen und mir eine Chance geben. Denn sie wissen, dass ich immer ein gutes Produkt abliefere, egal was ich mache. Ich habe meinen eigenen Kopf und richte mich nicht danach was andere von mir wollen."


    Glaubst du, dass es in Zukunft häufiger vorkommen wird, dass Wrestler sich auf dem Höhepunkt ihres Erfolges eine Auszeit nehmen?


    "Es gibt z.B. Shawn Michaels, Batista und Trish Stratus. Die haben das alle schon gemacht. Für mich gibt es keinen Zweifel, dass Shawn noch arbeiten könnte, wenn er will. Wenn man das Gefühl hat es reicht, sollte man aufhören. Ich kann nicht verstehen wenn ständig herumgenörgelt wird, dass Ric Flair und Hulk Hogan zu alt sind. Wenn man sie nicht sehen will kann man ja immer noch abschalten. 2005 bin ich nicht auf dem Höhepunkt abgetreten, sondern war etwas deprimiert. Es musste eine Veränderung her. 2007 kam ich zurück und 2010 hatte ich die WWE Spitze erklommen. Zu dieser Zeit hatte sich endlich meine jahrelange Arbeit ausgezahlt."


    Was war denn das Spezielle bei World Wrestling Entertainment in deinen letzten Jahren, als du zum Topstar wurdest?


    "Es ist mir gelungen mich von einem guten Wrestler zu jemandem zu entwickeln, der vielleicht eines Tages seinen Platz in dee Hall of Fame findet. Und ist schon seltsam, dass ich so etwas sage. Die letzten drei Jahre waren für mich die besten meiner ganzen Karriere. Es gab Leute die mir vorgeworfen haben dass ich den Y2J-Charakter "gekillt" hätte. Oder andere haben mich gefragt:"Wo ist der lustige Jericho?" oder "Wo ist denn die lange Hose"?. Das Problem an der Sache war, dass ich nicht in der Vergangenheit lebe, sondern die Zukunft im Auge habe. Es ging darum, mich weiterzuentwicklen und nicht stehen zu bleiben. Mein Vorbild ist die Sängerin Madonna. Die hat sich über Jahre immer wieder neu erfunden. Das wollte ich auch mit Chris Jericho tun. Die Fans sollten sich nicht langweilen."


    Du hattest längere Storylines mit Rey Mysterio oder auch Shawn Michaels. Warum ist ist es heute so schwer, Storylines über einen längeren Zeitraum hinzuziehen?


    "Die Sache mit Shawn war großartig. Zu dieser Story könnte man eine ganz eigene DVD füllen. Das Positive war, dass man uns Spielraum für unsere eigenen Ideen gegeben hat. Die Storyline hatte so die Möglichkeit sich zu entwickeln, weil nicht schon vorher alles genau festgelegt war. Mit Rey war das genauso. Das große Problem heute ist, dass sich viele von den jungen Wrestlern nicht trauen, zu Vince zu gehen, um eigene Ideen einzubringen. Sie sind froh, überhaupt dabei zu sein. Deswegen sagen sie nichts, und sind zufrieden mit dem, was man ihnen geschrieben hat. Als ich damals zu Vince ging, um ihm meine Ideen zu präsentieren, habe ich mich wie auf der Anklagebank gefühlt. Es war schwer ihn davon zu überzeugen, das Rey in einem Kampf die Maske aufs Spiel setzen sollte. Nach einer halben Stunde hat er es dann doch eingesehen. Auch mit Edge war eine sehr lange Storyline geplant, als unser Tag-Team sich auflöste. Leider hat er sich dann verletzt. Ich bin der Überzeugung, dass die Wrestler viel mehr Mitsprache haben sollten. Die Qualität würde steigen und die Geschichten wären auch tiefgründiger."


    Wer sind denn deine Favoriten momentan bei WWE?


    "John Cena finde ich super. Das war mir schon vor Jahren klar das er eines Tages zu einem Topstar aufsteigen wird. Jack Swagger und Kofi Kingston sind auch toll. Leider haben sie das Potential noch nicht ausgeschöpft, und man hat sie teilweise auch nicht gut eingesetzt. Alberto del Río hat eine rosige Zukunft vor sich. Ich habe vor einigen Jahren mit seinem Vater in Mexiko gearbeitet, und ich muss wirklich sagen das Alberto um einiges besser ist. Von John Morrison bin ich sehr begeistert. Er bietet spektakuläres und technisch perfektes Wrestling. Allerdings muss er noch ein wenig an seiner Persönlichkeit arbeiten. Die kommt vor der Kamera leider nicht so zur Geltung. Aber ich bin mir sicher, dass er das schaffen wird."


    Was denkst du heute über Chris Benoit?


    "Es ist nicht zu entschuldigen was er getan hat. Das ganze Wrestlingbusiness war nach dieser Tragödie schwer angeschlagen. Als Wrestler habe ich immer noch großen Respekt vor ihm. Mit ihm hatte ich meine besten Kämpfe. Aber ehrlich gesagt, kann mir diese Matches nicht mehr anschauen, weil ich ein schlechtes Gefühl dabei habe. Ich kann auch Vince McMahon verstehen dass er verboten hat, seinen Namen in den Sendungen zu erwähnen. Am liebsten würde er diesen schwarzen Punkt aus der WWE-Historie löschen. Schließlich hat er fast das ganze Business zu Fall gebracht."


    Wie sieht denn deine Zukunftsprognose für die WWE und Vinc McMahon aus?


    "Vince McMahon ist ein Genie. Ich glaube Vince wird immer das letzte Wort haben. Und das bis zu seinem letztem Atemzug. Obwohl er ja schon einiges von seiner Verantwortung abgegeben hat. World Wrestling Entertainment wird große Probleme bekommen, wenn er nicht mehr da ist. Er ist ein Visionär und ich sehe momentan niemanden, der diese großen Fußstapfen ausfüllen könnte. Schau dir doch nur mal den Nexus-Angle im vergangenen Sommer an. Da hast du Typen, die keiner kannte. Und was macht Vince? Er pusht sie, und entwickelt eine der besten Stories des letzten Jahres. Es wird spannend zu sehen, was passiert, wenn er nicht mehr da ist."


    Angeblich sollen Triple H und Stephanie McMahon dann die Verantwortung übernehmen. Glaubst du das es große Veränderungen geben wird?


    "Das denke ich nicht. Vince hat beide praktisch in Sachen Wrestling ausgebildet. Deshalb ist davon auszugehen, dass sie vieles übernehmen werden. Ich kann mir momentan schwer vorstellen das die Verantwortung auf zwei Schultern verteilt wird. Vielleicht wird Personalchef John Laurinaitis mehr Aufgaben bekommen. Bei Vince McMahon ist der Vorteil, dass man einen Boss hat. Das weiss jeder, wo es lang geht. Und man kann über ihn sagen was man will. Die meisten Dinge hat er richtig gemacht. Man kann nur hoffen, dass der Nachfolger ein ähnlich gutes Händchen hat."


    Kannst du dir vorstellen, selbst hinter den Kulissen zu arbeiten?


    "Ich habe keine Ahnung ob ich das mit meinem Ego vereinbaren kann, denn ich liebe das Scheinwerferlicht. Mir fällt auf, dass die besten Trainer selber nie die größten Sportler waren. Ich würde mir es schon zutrauen so einen Job zu machen, aber ob ich es wirklich will? Frag mich am besten in fünf Jahren nochmal. Aber die Shows zu kommentierens würde mich schon faszinieren."


    Wie hat es dir denn gefallen, wie du aus RAW im September rausgeschrieben wurdest?


    "Der Abschied von Ric Flair bei Wrestlemania 24 gegen Shawn Michaels waren schöne Momente. Aber so etwas möchte ich für mich nicht. Ich mag keine großen Abschiede. Mir wäre es peinlich, wenn mir dann die Leute erzählen, wie toll ich bin und dann anfangen zu weinen. Deswegen war es OK, dass mir Randy Orton den Tritt an den Kopf verpasst hat. Kurz und schmerzlos. Das ist mir lieber."


    Welches Vermächtnis wirst du dem Wrestling hinterlassen?


    "Einen Mann, der in jedem Match immer sein bestes gegeben hat. Die Fans konnten sich immer sicher sein, dass ich sie unterhalten werden, und sie für ihr Geld einen Gegenwert bekommen. Ich hoffe sehr, dass es doch einige von den jungen Wrestlern gibt, die sagen, dass sie sich von mir etwas abschauen konnten. Besonders davon, wie ich sie nach den Shows unter den Tisch getrunken habe."



    Quelle: Genickbruch

  • Ein wirklich interessantes Interview.War mal wieder sehr spannend nicht nur über die Sachen im Ring sondern auch über seine jetzige Situation und andere Dinge zu erfahren.Jedoch muss ich ihm ganz klar widersprechen.Der WWE geht es ohne ihn eben nicht gut und warum sollte er denn das Heft in die Hand der Jugend geben wenn er immer noch deutlich besser als sie ist? Für mich steht fest das die WWE Y2J in keiner Situation mehr gebraucht hat als jetzt und ich hoffe wirklich das er bald zurück kommt und seine Hall of Fame Karriere mit einem schönen Ende und einem richtig langen Titelrun abschließt.

  • Ein sehr schönes Interview! In den meisten Punkten muss ich Chris Jericho zustimmen. Aber ich kann nicht nachvollziehen, warum er sagt, dass es der WWE gut geht. Na ja, ist halt seine Ansicht.


    Außerdem liest sich das Interview für mich schon schon zu, als hätte er schon mit 90% miit dem Wrestling abgeschlossen. Er muss es schließlich wissen. Ich würde es natürlich begrüßen, wenn er nochmal zurückkehren würde. Jericho könnte ich mir auch noch für weitere 3 - 5 Jahre im Ring vorstellen.

  • Leider ist Y2J aber einer der wenigen, die einen solchen, großen Abschied wirklich verdient hätten. Er war bzw. ist mit Sicherheit eines der größten Talente, wenn nicht sogar das größte Talent im Bereich Pro-Wrestling der letzten 20 Jahre!


    Die Wellness Policy müsste Benoits Namen tragen, das Thema dürfte nie aus den Köpfen der Verantwortlichen verschwinden. Wobei aber ja auch niemand mit Sicherheit sagen kann was in jener Nacht genau passiert ist (und ich will jetzt garnicht die Kevin Sullivantheorie aufwärmen). Möglicherweise ist ja einfach nur ein Streit zwischen Eheleuten eskaliert und das ganze hat zu einem Drama geführt, wie man es auch immer wiedermal in den Nachrichten hört. Ob Wrestling allgemein und Steroide im speziellen etwas damit zu tun haben, wird man nie zu 100% klären können.