WrestlingCorner Kolumne: Endlich Fortschritt

Veröffentlicht am 25. April 2021 um 20:36 Uhr von Vincent Hummel in der Kategorie: Kolumnen.

Hurra! Diesen Mittwoch startet die erste Episode vom Frauen-Wrestling bei ROH (Ring of Honor). Der paritätische Zug hat auch bei der amerikanischen Wrestling-Liga halt gemacht. Aber noch lange ist diese Neuzeit nicht bei allen angekommen.

Als ich vor einigen Jahren bei einer Veranstaltung der wXw (Westside Xtreme Wrestling) war, war auch der YouTuber PerkkiXWWE dabei. Es war die Veranstaltung „World Tag League“, mit eine der renommiertesten Veranstaltungen über drei Tage. Jener suchte ein paar Leute zu einem Interview für ein „Wrestling-Tagebuch“, das er wenig später auf seinem Kanal veröffentlichte. Gerne war ich dafür bereit und ich wurde schließlich geladen.

Am Anfang des Interviews ging es um eigene Meinungen, was Wrestling für einen ausmache und wie man es persönlich erlebe. Natürlich sprudelte es nur aus mir heraus. Bis dahin war es ein gelungenes Interview, dass sich mit der letzten Frage komplett änderte.
Am Ende wurde ich gefragt, was ich vom Frauen-Wrestling halte. Wie bitte? Was soll ich denn davon halten? Ist doch schön, dass es das gibt. Leider redete ich mich um Kopf und Kragen. Ich muss nämlich gestehen, dass ich mich bis dato noch nicht damit beschäftigt hatte; ich schaute es auch nicht. Dieser Schwall an Worten war mir mächtig peinlich, sodass ich schon fast sexistische Äußerungen von mir gab, die ich keinesfalls so meinte.
Zu meinem Glück wurde der letzte Teil des Interviews rausgeschnitten und ich war beruhigt. PerkkiX Gesichtsausdruck werde ich auch nie vergessen.
Deshalb muss ich mich auch offiziell bedanken, keinen öffentlichen Eklat verursacht zu haben, sondern der Aufregung geschuldeter Fauxpas schnell vergessen wurde.

Nach diesem Interview reflektierte ich mich immer wieder und dachte, dass ich mich endlich an diese Sparte herantrauen müsse; zumindest hätte es eine Chance verdient. Und siehe da, es hat sich nicht viel verändert. Ich lernte es kennen und lieben. Seitdem entwickelte sich auch dieser größtmögliche Respekt und der Gedanke, dass Wrestling nicht nur Männer kann. Natürlich kann man beides nicht speziell miteinander vergleichen, aber in der speziellen Form sind beide Stile enorm ansprechend und zugleich enorm anspruchsvoll und weltklasse aufgeführt.

Die Zeiten, wo sich mein Interesse zum Frauen-Wrestling ausbreitete, war auch die Zeit, als die WWE ihre „Women’s-Era“ einläutete – jeder weiß, was gemeint ist. Fortan kamen immer mehr berechtigte Gleichstände hinzu. Die erste „Royal Rumble“ Gewinnerin, die erste „Money In The Bank“ Gewinnerin, die erste „Elimination Chamber“ Gewinnerin, es könnte ewig so weitergehen.
Das alles hat die WWE vorangetrieben. Die Müllsack-Affäre war zum Glück ein anderes Thema als der wohl größte Skandal in der neueren Zeit.

Und das hat auch was bewirkt. Regional wie international. Überall wurde die Präsenz der Frauen größer. Es wurden Turniere veranstaltet, sogar spezielle nur für dieses Geschlecht. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich diese „Women’s-Era“. Selbst die Kleinsten machten mit. Nur bei ROH kam diese Nachricht scheinbar nicht an oder zu spät.

Früher hieß es „Women’s of Honor“. Der Titel war auch immer fest in der Hand einer Dame. Alles schön und gut. Ebenso hat sich der Marktführer mit dem „Divas Championship“ eine Nische gehabt, die es möglich machte, dass Frauen sich beweisen konnten.
Für alle war dieses Konzept gut und verständlich. Was viele aber nicht wussten, war die völlig falsche Darstellung von Frauen. Es waren die „Divas“ bei WWE. Die Darstellungsweise machte dem Namen alle Ehre. Fast genau so hat es sich bei ROH verhalten. Bis sich einer mal bei WWE Gedanken machte und sagte, dass das doch Frauen seien. Richtig, es sind Frauen. Und davon gibt es viele!

Mit der Namensänderung von „Divas“ zu „Women’s“ wurde endlich der Meilenstein für die Gleichberechtigung gelegt.
Das Klischee wurde weitesgehend aufgeräumt. Auch die „Curvy“-Sache wurde endlich mal in die Runde gebracht und es war wichtig, auch in dieser Sparte ein Zeichen zu setzen.

Und so lange WWE Fortschritte machte, lag bei ROH alles still. Man war wie eingefroren, die Zukunft nicht mehr in Sicht. Das passte auch dazu, dass AEW (All Elite Wrestling) die Liga schlussendlich als größte Indy-Liga in Amerika ablöste.
Aber wie so oft kämpfte sich ROH durch alles, ähnlich wie MLW (Major League Wrestling). Sie kamen zurück. Und es war impulsiv, aber immer fehlte irgendwas.

Das Manko wurde beseitigt, nachdem Maria Kanellis-Bennett ankündigte, dass es bald ein reines Frauen-Turnier geben und die erste Women’s Championesse gekürt werde. Ein Einschlag mit Wirkung und das zum Glück lieber zu spät als nie.

Natürlich muss sich das auch erstmal einspielen, wie bei WWE auch. Und dafür kann man der Liga auch gerne Zeit lassen. Wichtig ist, dass dieser Gedanke endlich angekommen ist, auch, wenn es ehrlicherweise in der „leeren Zeit“ keine große Auswahl an Frauen im Roster gab.

Endlich Fortschritt! So kann man es nennen und es ist wichtig, dass es auch so bei vielen ankommen wird. Noch lange sind nicht überall flächendeckend diese Gedanken und gleichwertige Aufteilung geschehen. In Japan hat man z.B. getrennte Ligen, wo sich das Geschlecht nicht mehr ein Roster teilt. Auch das ist in Ordnung und hat nichts mit einem diskreditierenden Hintergrund zu tun.
Doch einige Ligen lassen das Thema „Frauen-Wrestling“ immer noch schleifen. Eigentlich schade. Gerade in diesen Zeiten, wo der Feminismus, Gleichberechtigung, Antirassismus so groß im Gespräch ist. Das kann auch eine Chance sein, um neue Zuschauer anzulocken und nicht im Klischee zu verrotten oder eine Klage zu bekommen, weil man das nicht achte – was nicht alles möglich ist in einem Rechtsstaat.

Aber wenn man wieder zu diesen Ligen schaut, die es schon lange vorangetrieben haben, z.B. WWE, gibt es dennoch immer wieder neue Fortschritte und neue Ereignisse, die ihr Debüt feiern (Beispiel: Frauen Main Event bei „WrestleMania“, Main Event der Frauen mit dunkelhäutiger Gesichtsfarbe, größte Frauenbeteiligung und Kampf in Saudi-Arabien etc.).

Es könnte ewig so weitergehen und doch findet man immer wieder noch Löcher, die gestopft werden müssen. Der Satz war hart gewählt und doch werden wir noch viele Debüts im Frauen-Wrestling feiern. Noch härter gesagt kann man sagen, dass die Gleichberechtigung noch lange nicht im Wrestling angekommen ist.

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