WrestlingCorner Kolumne: Lasst sie gehen!

Veröffentlicht am 13. November 2021 um 18:00 Uhr von Vincent Hummel in der Kategorie: Kolumnen.

Er muss es ja wissen: Bryan Danielson sprach zuletzt über die neuesten entlassenen Wrestler bei WWE und war zwiegespalten bei der Situation um die 90 Tage Non-Compete Clause. Doch was bringt sie wirklich?

Es waren wieder zum Teil namhafte Wrestler, die das Unternehmen unfreiwillig verließen. 18 Wrestler sind bis jetzt die Höchstzahl in diesem Jahr. Als einmal mit „Suspendierlaune“ betitelte Kolumne kann man hier schon wieder eine weitere Episode dazupacken. Doch ganz zu sehr möchte ich hier nicht ins Detail, denn es geht viel mehr um die Frage, was die Vertragssituation eigentlich bringt.

Für diese Fragestellung kann es Pro und Contra geben:

Pro:

365 Tage im Jahr aktiv zu sein, ist übertrieben. Aber als WWE „Live“ wieder startete, haben die Wrestler wieder mehr zu tun. Wöchentliche Shows und ein PPV im Monat oder mehr waren dennoch ein etwas erholsamer Kalender. Jetzt werden wieder Live-Events veranstaltet, zwar nur in den Vereinigten Staaten, aber dennoch mit Reisestrapazen. Viel Urlaub bleibt da nicht mehr übrig, wenn es überhaupt sowas für Wrestler gibt. Nach einer Entlassung greift die Non-Compete Clause. In hohem Maße kann diese sogar 90 Tage betreffen. Es heißt also, kein Auftreten in 90 Tagen. Beste Voraussetzung für eine Erholung und Entspannung und, im Hinblick auf die begehrten Anfragen anderer Promotions, eine lange Zeit für Überlegungen. Oftmals kann ein übereifriger Schritt nicht der richtige sein. Mit dieser Zeitspanne lässt es sich gut vereinbaren, den nächsten Arbeitgeber gut und durchdacht auszuwählen. Niemand verlangt einen Schnellschuss. Es gibt nichts schlimmeres, als unglücklich in einer Vertragssituation zu sein, die es nicht erlaubt, verfrüht auszusteigen (Stichwort: Andrade).

Weitgehend ist der Urlaubsfaktor selbstverständlich kein gewichtiges Argument für eine komplette Berfürwortung der Situation. Bei der größten Liga der Welt angestellt zu sein hat aber auch seine Opfer. Man resigniert in der Situation und ein Alltag findet Platz in Flügen, Hotels und stickigen Hallen. Viele der aufgezählten Dinge gehört zum Leben eines Wrestlers dazu. Woanders wird es genau so sein. Doch das Ausmaß wird reduziert sein. Und allein das kann schon zu einer Entspannung führen, die keinen Urlaub bedarf. Wo nun das Contra steht.

Contra:

Warum muss ein Unternehmen seinem Arbeiter verbieten, für eine gewisse Zeitspanne abstinent zu bleiben? Die WWE ist ein amerikanischer Arbeitgeber. Das Land der vielen Freiheiten und der langen Demokratie. Freie Selbstbestimmung sollte nach Vertragsuaflösung wohl an erster Stelle stehen. So lange keine Kündigung der Person eingereicht wurde, kann so nicht argumentiert werden. In den letzten Fällen hatte immer der Arbeitgeber gekündigt. Eine „Vertragsstrafe“, wie man es mal böse nennen darf, kann nur aktiv sein, wenn der Vertrag nicht erfüllt wird. In diesem Falle begeht auch die WWE Vertragsbruch, aber es darf dann nicht auf die Kosten der Wrestler gehen. Gerade wenn namhafte Wrestler frei verfügbar sind, schwarten sich die anderen Ligen gegenseitig ab und pulen um eine Verpflichtung. Da ist es nicht förderlich, wenn so viel Zeit vergeht. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Diesem Motto kann man aber nur treu bleiben, wenn etwas sofort entschieden wird. Ein Wrestler ist auch in der Lage, eine schnellere Entscheidung zu treffen, zumal sich viele sowieso schon Alternativen überlegt haben. Denn wenn es zu lange dauert, bekommt meistens der Zweitgrößte das Zepter. Ergo sehen wir viele bei AEW (All Elite Wrestling) wieder.

Lasst alle frei entscheiden. Ein Wrestler kann auch selbst sagen, wann er eine Auszeit möchte. Eine Zwangspause hat nur wieder eine Bestimmung im Hintergrund zur Folge. Und diese sollte es in keiner Sparte geben, erst recht nicht, wenn ein Arbeitsverhältnis aufhörte. Stellt man sich mal vor, eine Pflegekraft dürfe nicht mehr so schnell in einem anderen Klinikum arbeiten, weil sie sich für das eine zuvor verpflichtet hat. Womit zwei Gedanken im Vordergrund stehen.

Gedanke 1: Gehalt

Gedanke 2: Leistung

Zu 1: Das Gehalt zwischen Wrestler von WWE und einer Pflegekraft wird dennoch unterschiedlich sein. Wenn man von gutem Wirtschaften ausgeht, kann gesagt werden, dass die Existenz eines Wrestlers für 90 Tage nicht so in Gefahr ist wie bei einer Pflegekraft. Daher lässt es sich aus finanzieller Sicht schon für einen Wrestler aushalten, wenn vielleicht sogar noch im Vertrag Boni enthalten sind – kennt man ja vom Fußball.

Zu 2: Das wäre ein wahrer Main Event. Wer leistet von beiden Parteien mehr. Das möchte ich nicht beurteilen, da es zwei unterschiedliche Bereiche sind. Natürlich leisten Pflegekräfte aus sozialer Sicht überragendes. Und warum ich überhaupt die Krankenpflege habe einfließen lassen, ist mir ein Rätsel. Vielleicht weil es präsenter denn je ist. Aber leistungstechnisch dürfte es Sinn machen, für die Abstinenz eine Abschlagzahlung geltend zu machen. Denn immerhin hat man als Teil eines Ganzen zum Erfolg beigetragen. Das lässt sich auf so ziemlich jeden Beruf umschreiben. Viele kriegen ihre Überstunden noch ausbezahlt und andere werden laut Vertrag für eine gewisse Zeit belohnt.

Danielson hat sich für keine Seite entscheiden können. Vielleicht auch, weil ihm sein jetziger Schwiegervater im Nacken sitzt, der eine operative Rolle bei der WWE übernommen hat. Vielleicht aber auch, weil er einfach nur dankbar für die tolle Zeit ist, in der er mehrfach Weltmeister werden durfte und seine große Liebe kennenlernte. Andererseits ist die Entscheidungsfindung aber auch wirklich nicht leicht, weil es hier an interner Sicht fehlt. Und über vertragliches wird nicht gesprochen, was mich zu der Annahme bringt und viele andere auch, sein eigenes Bild zu entwerfen und die Meinung zu sagen, die einem schlüssiger sei. Für mich wäre der Appell ganz klar: LASST SIE GEHEN!

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