WrestlingCorner Kolumne: Schicksalsfrage

Veröffentlicht am 14. Mai 2022 um 18:00 Uhr von Vincent Hummel in der Kategorie: Intern, Kolumnen.

Was die amerikanische Wrestling-Liga AEW (All Elite Wrestling) heute ist, war damals die amerikanische Wrestling-Liga TNA (Total Nonstop Action), die heute Impact Wrestling heißt. Damals hatte man sich auf seinen Lorbeeren ausgeruht. Jetzt muss AEW aufpassen, dass ihnen nicht das gleiche Schicksal widerfährt.

Als Jerry & Jeff Jarrett im Mai 2002 damals TNA gründeten, war „J Sports and Entertainment“ in aller Munde. Nach der Schließung von WCW (World Championship of Wrestling) gab es wieder eine richtige Alternative zu WWE. Denn die aufbrausenden World Wrestling All-Stars waren ebenso schnell wieder von der Bildfläche verschwunden, wie sie begonnen hatten. Für Jarrett war es ein Bedürfnis, die Leidenschaft des Wrestlings auszuleben. Der CEO Vince McMahon von WWE hatte an Jarrett erstmal kein Interesse mehr. Doch dieser war ein Fanatiker, wie jeder, der eine Promotion aufbaut und führt. Aber natürlich muss auch so eine Liga finanziell gedeckt sein und das war wohl das Manko, welches TNA bis in die 10er Jahre begleitete. Man fand freilich Investoren und auch die wöchentlichen PPV’s wurden logischerweise nie kostenlos ausgestrahlt. Ein neues Modell kam ab 2004. Unter Ausstrahlung auf verschiedenen Sendern und der stetigen Steigerung der Einnahmen durch mehrstündige Veranstaltungen hat man ein kurzes Gleichgewicht gefunden. Durch die Verpflichtung von Hulk Hogan als Berater, was damals eine absolute Sensation war, kam man in das Fahrwasser, welches AEW nun spiegelte: Bis heute griff man WWE die Wrestler ab, die sie nicht mehr benötigten, baute sie auf und ließ sie zu World Champions werden. Aber man brachte auch Originale heraus. Leute wie AJ Styles, Samoa Joe etc. hatten erstmal keine WWE-Vergangenheit. Die Jahre vergingen und damit auch immer mehr das Interesse. Als man nahezu am Boden lag und selbst Jeff Jarrett als Berater nichts nutzte, kam ein Lichtstreifen am Horizont und „Anthem Sports and Entertainment“ kaufte Impact Wrestling mit Mehrheitsbeteiligung. Ab da an hatte man wieder tolle Shows gezeigt, ein völlig neues Konzept integriert und wollte so gar nicht mehr viel mit der Vergangenheit zu tun haben. Vielleicht auch deswegen eine weise Entscheidung, dass man das Hexagon wieder zum bekannten „Squared Circle“ umbaute. Wirkliches Interesse gab es zwar nicht mehr so wie in den Hochzeiten, aber man hatte mit Drew Galloway (McIntyre) und den Broken Hardys mit einen der besten Gimmicks in der Geschichte des Wrestlings wieder gute Anreize den Leuten gegeben, Karten zu kaufen und Interesse zurückzugewinnen. Mittlerweile hat sich Impact Wrestling (nicht mehr TNA – ein weiterer Schritt in eine neue Richtung) eingependelt. Und der Abkauf fand auch weiterhin statt (Tom Phillips, Eric Young etc.).

Klug also von AEW nicht in direkte Konkurrenz zu gehen, obwohl sie allen anderen Ligen weit voraus sind, hat man Partnerschaften abgeschlossen. Mal darf der oder diejenige dort auftreten, dafür diese und jene woanders. Gar kein schlechtes Modell einer, wie ich es mal beschrieb, „Indie-Allianz“, wobei das wirkich wirklich wirklich mit Vorsicht zu genießen ist. Dabei ist aber vom Prinzip her All Elite Wrestling mit dem gleichen Grundstein gelegt worden. Zwar hatte man nicht wir Impact Wrestling Geldprobleme – ganz im Gegenteil. Man hat bewusst den Milliardär Tony Khan integriert, um der Liga auch fortwährend finanziellen Erfolg zu bescheren. Und wenn man sich so anschaut, wie gut das Produkt angenommen wird, kann hier keinesfalls von einem Drauflegegeschäft gesprochen werden. Leute wie The Young Bucks (Matt & Nick Jackson), Adam „Hangman“ Page, Kenny Omega, ehemalig Cody Rhodes u.w. haben es besser machen wollen als andere. Dafür hatten sie sich als Vizepräsidenten integrieren lassen, um selbst Entscheidungen treffen zu können. Im Nachhinein weiß man zwar, dass das nicht so zutraf wie man es eigentlich gedacht hatte, aber immerhin war man von allen Seiten zufrieden. Man bot eine gute Alternative zum Markftührer WWE. Man ging in direkte Konkurrenz zur Nachwuchsliga „NXT“ und konnte sie um Längen schlagen und hat das Wrestling mehr in den Fokus gelegt als die Geschichten.

Natürlich war die Historie von AEW jetzt nicht so genau beschrieben worden wie bei Impact Wrestling, aber die Liga gibt es ja noch nicht so lange und jedem Wrestling-Fan der Neuzeit dürfte auch einiges darüber schon bekannt sein. Doch in der Einleitung schrieb ich davon, dass AEW aufpassen müsse, dass sie sich „nicht auf ihren Lorbeeren ausruhen“. Denn diesen fatalen Fehler hat TNA damals begangen und man war etwas in der Versenkung verschwunden. Erst als AEW kam, hatte man wieder das Gefühl, eine echte Alternative wieder zu haben. Mittlerweile allerdings hat sich die Liga im Großen und Ganzen „eingelebt“. Nichts muss mehr so wirklich aufgebaut werden, weil man das Grundgerüst bereits baute. Aber was immer mehr zum Vorschein kommt, sind die großen Segmente, die die Shows füllen. Zweifellos wird es in dieser Sparte kein Wrestling geben, dass nicht ohne seiner Geschichten lebt, aber man reizt es auch im Moment sehr aus. Was früher die häufigen Interviews und die daraus folgenden Konfrontationen mit Matchfolge waren, sind nun auch immer mal wieder große Rederei im Wrestling-Ring. Das fällt vielen vielleicht gar nicht so auf und ehrlich gesagt ist meine Ansicht darauf bitte auch etwas als überspitzt anzusehen, aber was im Moment noch nicht ist, kann ja noch so werden.

Erinnerung: Mehr Wrestling im Fokus – weniger Geschichten. Dabei meint man nicht die allgemeinen Geschichten rund ums Wrestling, sondern eher deren Streckung und Dauer im Sinne der Häufigkeit und Dominanz in einer Show. Wenn man sich „NXT 2.0“ anschaut und mit „NXT“ von damals vergleicht, wird man den Unterschied schnell wissen , auch wenn es jetzt eine halbe Stunde länger ausgestrahlt wird – warum wohl?

AEW muss also vorsichtig sein, dass sie mit ihren Fehden und Geschichten nicht so weit gehen, dass diese zu sehr die Show dominieren. Zum Glück sieht man dort immer noch Matches über zehn Minuten und muss sich nicht immer mit nur sechs Minuten oder weniger anfreunden, aber genau das ist die Gefahr. Wenn man dabei nach Japan blickt, wird man schnell merken, wie viel Zeit in einem Segment vergeht, wenn selbst ein „lächerliches“ Ten-Man Tag Team Match mit Young-Lions und Legenden über zehn Minuten abläuft.

Was wäre die Folge, wenn es wirklich so eintritt? Nun, man wird sicherlich nicht mehr die große Resonanz spüren, was für AEW total schädlich ist, weil das Unternehmen genau darauf und Social-Media aufbaut und man wird recht schnell ein Schicksal erleben, dass man kennt, aber sicherlich nicht mehr in der Breite konsumiert. Aus einem damaligen Versprechen ist ein Abklatsch des Marktführers geworden, dass sich darum bemüht, so viele Wrestler wie möglich zu integrieren, die erst frisch von WWE entlassen wurden, aber nur noch für eine gewissen Fangemeinde zur Verfügung stehen wird. True Seelen wird es auch dann geben – ist ja bei Impact Wrestling nicht anders – ich bin selbst eine derer, die immer noch die Liga sehen, weil sie was hermacht und eine enorme Geschichte und Tradition aufweist und ein Roster hat, mit dem man sich nicht verstecken braucht. Aber eben das wird für viele Zuschauer nicht mehr Grund genug sein, das Produkt zu konsumieren. Zurzeit machen es viele noch wegen des Hypes und wegen der benannten guten Alternative.

Man kann hoffen, dass es so bleibt. Denn gerade jetzt hat man sehr viele Möglichkeiten, die Geschichte von AEW weiter aufzubauen, da genug Wrestler und genug Fans vorhanden sind und vor allem genug Geld.

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