Ausgerechnet Uli Hoeneß!
Seit Jahren wettert er in den Talkshows wortgewaltig für die totale Vereinfachung des Steuersystems, fordert die Abschaffung aller Abschreibungstricks. Im BILD-Interview schwor Hoeneß 2005: „Ich weiß, dass das doof ist. Aber ich zahle volle Steuern.“
Der Mann, der immer wieder großzügig an soziale Einrichtungen spendet und von anderen Anstand und Sitte fordert, ist ein Steuersünder. Einer, der offenkundig Millionensummen auf einem Schweizer Schwarzgeld-Konto gebunkert und so vor dem deutschen Fiskus versteckt hat. Diese Meldung des Nachrichtenmagazins „Focus“ schockt nicht nur die Fußball-Welt.
Die Staatsanwaltschaft München II ermittelt seit Monaten gegen den Präsidenten des FC Bayern wegen des „Verdachtes der Steuerhinterziehung“, so Oberstaatsanwalt Ken Heidenreich. Hoeneß selbst erklärte in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber dem Magazin: „Ich habe im Januar 2013 über meinen Steuerberater beim Finanzamt eine Selbstanzeige eingereicht.“
Die hänge „mit einem Konto von mir in der Schweiz“ zusammen. Wie viel Geld dort lagerte und um welche Bank es sich handelt, dazu schwieg Hoeneß.
Nach Informationen aus der bayerischen Staatsregierung hat der Betrugsfall eine „schwerwiegende Größenordnung“. Das ergibt sich schon daraus, dass Hoeneß nach Informationen von BILD am SONNTAG gleichzeitig mit der Selbstanzeige eine Abschlagszahlung auf seine Steuerschuld von knapp sechs Millionen Euro leistete.
Der Chef der Deutschen Steuer-Gewerkschaft, Thomas Eigenthaler, folgert daraus, dass „Hoeneß mindestens zehn Millionen Euro Einnahmen nicht angegeben hat“. Informierte Kreise in München schließen nicht aus, dass der tatsächliche Betrag noch deutlich höher liegt.
Über den Fall Hoeneß ist der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) bereits seit Längerem im Bilde. „Ich weiß, dass ein Verfahren läuft“, sagte Seehofer gestern am Rande einer Partei-Veranstaltung in München. Der CSU-Chef betonte, es werde seitens der Landesregierung kein Einfluss auf die Behörden genommen: „Er wird behandelt wie jeder andere Bürger auch."
Die Ermittlungsbehörden scheinen auf den Promi-Status in der Tat keine Rücksicht zu nehmen. Am 20. März fand eine Razzia in seinem privaten Anwesen im Tegernseer Tal statt. Staatsanwälte, Steuerfahnder und Kripo-Beamte durchsuchten die Hoeneß-Villa.
Eine Verbindung zum FC Bayern gibt es bisher offenbar nicht. Die Ermittlungen sollen sich um private Konten von Uli Hoeneß drehen. Abseits des Fußballs baute der langjährige Bayern-Manager ein kleines Wurst-Imperium auf. Sein erfolgreiches Unternehmen, die HoWe Wurstwaren KG, beliefert unter anderem Aldi und McDonald’s.
Warum aber offenbarte sich Hoeneß plötzlich im Januar mit seiner Selbstanzeige den Finanzbehörden? Gegenüber „Focus“ begründete er diesen Schritt mit dem Scheitern des Deutsch-Schweizer Steuerabkommens.Die schwarz-gelbe Bundesregierung hatte mit den Schweizern ausgehandelt: Die dortigen Banken führen rückwirkend für zehn Jahre die Steuern ihrer Schwarzgeld-Kunden an den deutschen Fiskus ab, ohne dass die Namen der Steuerhinterzieher bekannt werden. Das Abkommen scheiterte allerdings am Widerstand von SPD und Grünen, und zwar im Dezember. Nur einige Wochen später erstattete Hoeneß die Selbstanzeige, offenbar aus Angst, nun mit seinem Schweizer Konto aufzufliegen.
Für Steuer-Gewerkschaftschef Eigenthaler ist der Fall klar: „Hoeneß hat zu hoch gepokert.“ Wäre es zu dem Steuerabkommen mit der Schweiz gekommen, hätte niemand von seinem Schwarzgeld-Konto erfahren. Jetzt müsse Hoeneß die Steuer nachzahlen, plus sechs Prozent Zinsen pro Jahr.
Und nicht nur das: „Ob er straffrei bleibt, muss jetzt sauber geprüft werden“, so Eigenthaler. „Die Behörden werden schauen, ob er für die letzten zehn Jahre alles vollständig nacherklärt hat.“ Laut der Staatsanwaltschaft sei nun die „Prüfung auf Wirksamkeit und Vollständigkeit der Anzeige“ von Hoeneß Gegenstand des Verfahrens.
Generell reicht der Strafrahmen für Steuerhinterziehung von einer Geldstrafe bis zu einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren (in einem „besonders schweren Fall“ bis zu zehn Jahren).
Eine Selbstanzeige wirkt sich dabei nur strafmildernd, nicht aber strafbefreiend aus. Laut eines Urteils des Bundesgerichtshofes vom 7. Februar 2012 scheidet eine Bewährungsstrafe bei einer hinterzogenen Summe ab einer Million Euro grundsätzlich aus.
Spitzenpolitiker von SPD und Grünen sehen sich in ihrer strikten Ablehnung des Steuerabkommens bestätigt. Der Fall Hoeneß mache deutlich, so NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD), „wie wichtig es war, nicht zuzulassen, dass die Bundesregierung ein Steuerabkommen mit der Schweiz durchbekommt, mit dem Leute wie Herr Hoeneß zum Sonderrabatt unerkannt davongekommen wären“.
Der grüne Spitzenkandidat Jürgen Trittin greift Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) an: „Ginge es nach Wolfgang Schäuble, würden Leute wie Uli Hoeneß noch immer ihre Gelder anonym in der Schweiz horten“, so Trittin zu BILD am SONNTAG.
SPD-Chef Sigmar Gabriel warnt vor einer Vorverurteilung der Bayern-Legende: „Ob Uli Hoeneß zu den Steuersündern gehört oder nicht, muss die Justiz klären. Er hat das Recht auf ein faires Verfahren.“ Massive Vorwürfe macht er hingegen der CSU, „die dort mehr als 50 Jahre regiert und in dieser Zeit einen weiß-blauen Filz geschaffen hat, den man endlich beseitigen muss“.
Zum Bundesliga-Spiel bei Hannover 96 erschien Hoeneß gestern nicht. Niemand beim FC Bayern wollte sich zum Fall äußern, außer dem „Kaiser“. Bayern-Ehrenpräsident Franz Beckenbauer (67) sagte BILD am SONNTAG: „Ich kann Uli nur die Daumen drücken, dass es gut ausgeht.“
(Quelle: bild.de/sport)